Beschreibung
Biblische Geschichte spannend wie ein Krimi- Das letzte Jahr im Leben des Paulus aus Tarsus aus einem ganz neuen Blickwinkel nacherzählt
- Lebendig und fesselnd erzählte Geschichtsforschung
- Ein Buch in der Tradition des erfolgreichen Longsellers »Der Schatten des Galiläers«
Wer die neutestamentliche Apostelgeschichte liest, erfährt, dass Paulus ursprünglich Saulus hieß, dass er aus Tarsus stammte, von Beruf Zeltmacher war und das römische Bürgerrecht besaß. Er tat viele Wunder, wurde von Juden in Jerusalem angeklagt, von den römischen Behörden verhaftet und als Gefangener nach Rom gebracht. Keine dieser Aussagen lässt sich durch Paulus eigene Worte bestätigen mit einiger Wahrscheinlichkeit handelt es sich um legendenhafte Ausschmückungen der Ereignisse, auf die in den Paulusbriefen angespielt wird. Folgt man allerdings nur den sieben Briefen, die die meisten Exegeten heute für echt halten (Röm, 1/2 Kor, Gal, Phil, 1 Thess, Phlm), dann lässt sich diese Geschichte auch ganz anders erzählen
David Trobischs fesselnde Erzählung folgt den Ereignissen der letzten 12 Monate im Leben des Apostels Paulus, wie sie sich aus den sieben genannten Paulusbriefen rekonstruieren lassen. Dabei vermittelt er ein lebendiges und intimes Bild einer schwer zugänglichen und widersprüchlichen Persönlichkeit. Zahlreiche Fragen, die die Paulusforschung offen lässt, beantwortet er vielfach ganz anders, als dies die Apostelgeschichte tut.
Autorenportrait
Professor Dr. David Trobisch hat über die Paulusbriefe promoviert und an den Universitäten Heidelberg, Missouri State University, Yale Divinity School und Bangor Theological Seminary Neues Testament unterrichtet. Seine Forschungsschwerpunkte sind Paulusstudien, die Entstehung des Neuen Testaments und biblische Handschriften. Er ist der Autor von "Ein Clown für Christus: Die ganz andere Geschichte über Paulus und seine Zeit".
Leseprobe
Titus kämpfte sich über den überfüllten Marktplatz und erreichte die Straße, die die Römer Die Gerade nannten. Er folgte der gewaltigen Stadtmauer ein Stück und bog dann nach rechts in eine enge Gasse ab. Vor den Tavernen, die sich hier aneinanderreihten, standen Sklaven und riefen in die Menge, was die Köche an diesem Abend anzubieten hatten: »Frische Schafsaugen, gekocht in Milch!« »Gegrillte Nachtigallzungen!« »Käsegebäck in Honig!« Doch die vielen Männer in der Gasse kamen nicht, um zu essen, sie kamen wegen der Frauen.
Vor der Taverne Zu den drei Schwestern blieb Titus kurz stehen und sah sich um. Dann huschte er, seinen Anweisungen folgend, um die Ecke zum Nebeneingang, der Kunden vorbehalten war, die Diskretion zu schätzen wussten und gerne dafür bezahlten. Wie befohlen, klopfte er dreimal, wartete einen Augenblick, und klopfte noch zweimal. Die Tür öffnete sich, und ein schwarzer Mann, dessen Wangen und gewaltigen Oberarme mit Narben verziert waren, ließ ihn ein.
Titus stürmte die Treppe hinauf. Wie die meisten exklusiven Bordelle von Damaskus, war auch dieses ein Teil der Stadtmauer. Das Obergeschoß bestand aus einer einzigen Kammer, dessen rundes Fenster nach Westen ausgerichtet war. In der Mitte des Raumes stand ein kleiner, magerer Mann, barfuß und nur mit einem Lendentuch bekleidet. Neben ihm zündete Herodias, die Frau, von der Titus wenige Stunden zuvor gekauft worden war, gerade eine Fackel an. Herodias war es auch gewesen, die ihm befohlen hatte, kurz vor Sonnenuntergang hierher zu kommen. Titus schätzte sie auf ungefähr sechzig Jahre. Ihre leicht gelockten Haare waren dunkel, zeigten hier und da aber auch das Silbergrau des Alters, sie trug ein weißes, aufwendig besticktes Wollkleid, und über ihrem wohlgenährten Bauch wölbte sich ein ausladender Busen.
»Das ist dein neuer Diener«, sagte Herodias zu dem halbnackten Mann. Dann wandte sie sich an Titus: »Das ist mein kleiner Bruder, dein neuer Herr.«
Titus kniete nieder und beugte sich vor, bis sein Kopf den Boden berührte.
»Sag was«, befahl Herodias. »Paulus kann nicht sehen.« Titus blieb auf den Knien, hob aber langsam den Kopf. Sein neuer Herr starrte ihn mit rot geränderten Augen an. Er hatte eine Glatze, die von wenigen grauen Haaren umrahmt war, und trug einen dichten, weißen Bart, der sein schmales Gesicht etwas runder wirken ließ. »Dein getreuer Sklave meldet sich zu Diensten«, brachte Titus schließlich hervor.
»Friede sei mit dir. Schalom.« Paulus Stimme war ungewöhnlich hoch, mehr die Stimme eines Jungen als die eines alten Mannes. Herodias steckte die brennende Fackel in eine eiserne Halterung an der Wand, faltete sorgfältig und bedächtig ein Obergewand und ein Lendentuch und drückte beides Titus in die Hand, nachdem sie ihm ungeduldig bedeutet hatte aufzustehen. »Leg das in den Korb«, bestimmte sie und zeigte auf das runde Fenster. Titus steckte den Kopf durch die Öffnung. Etwa zwölf Fuß unterhalb des Fensters stand ein aus Weidenzweigen geflochtener, großer Korb, an dem ein Seil befestigt war, das über einen Balken oberhalb des Fensters führte. Offensichtlich war die Vorrichtung dazu gedacht, Lasten zu befördern. Titus zog den Korb hoch und sicherte das Seil mit einem Seemannsknoten an einem offenbar dafür vorgesehenen Haken. Dann verstaute er die Kleider seines neuen Herrn in dem Behältnis, das einen recht stabilen Eindruck machte und ausreichend Platz für eine kleine Person wie Paulus bot.
»Gewöhnlich verlassen wir die Stadt nicht auf diese Weise«, sagte Herodias zu Titus. Sie legte ihre Hand auf den Rücken ihres Bruders und schob Paulus sanft, bis er mit ausgestrecktem Arm die Öffnung in der Wand ertastete. »Da musst du raus«, sagte sie. »Mit dem Kopf zuerst. Wenn die Schultern draußen sind, rutscht der Rest schon nach.«
»Willst du mich umbringen?« Der alte Mann wirkte nicht sehr überzeugt.
»Sei nicht so zimperlich! Dein ganzes Leben lang bist du mit dem Kopf durch die Wand. Deshalb steckst du jetzt auch bis zum Hals in Sc Segne diesen Dolch!« Mit einer ungeduldigen Armbewegung gab Herodias Titus einen Wink, beide packten Paulus an den Beinen und zogen ihn mit einem kräftigen Ruck zurück. Die Hüften lockerten sich, nun aber steckten die Schultern fest.
Herodias zog den Dolch aus der Scheide und durchtrennte entschlossen das Tuch, das Paulus um seine Hüfte gebunden hatte. Seine weiße Haut glänzte im gelbroten Licht der Fackel. »Drücken! Drücken! Drücken!«, befahl Herodias. Titus stellte sich neben sie, beide legten ihre Handflächen auf Paulus' nackten Hintern und schoben. Langsam lösten sich die Schultern und der Körper glitt durch das Fenster in den Korb. Das rote Licht der untergehenden Sonne durchflutete die Kammer.
Talitha folgte dem kleinen Pfad, der vom Fluss an der Außenseite der Stadtmauer von Damaskus entlang zu dem Lagerplatz führte, auf dem ihr Herr, Justus von Palmyra, seine Zelte aufgeschlagen hatte. Sie ging aufrecht und auf ihrem Kopf balancierte sie einen Tonkrug, der mit frischem Wasser gefüllt war. Ihre langen, dunklen Haare fielen offen auf die Schultern und streichelten bei jedem Schritt sanft ihren Hals. Mit dreizehn Jahren fühlte sich Talitha nicht mehr als Mädchen, doch ohne Mann war sie auch noch keine Frau. Als sie die Zelte erreichte, rief sie ihr Herr zu sich. »Ich habe Nachricht von deiner Mutter«, sagte Justus. Talitha senkte den Kopf. Sie war in Jerusalem geboren und aufgewachsen. Ihre Mutter war dort eine Sklavin in Justus' Haushalt. Vor sieben Jahren hatte sie ihr Herr, dessen Geschäfte ihn regelmäßig zwischen Palmyra und Jerusalem reisen ließen, mit in die Oasenstadt Palmyra genommen. Seither hatte sie ihre Mutter nicht mehr gesehen.
»Deine Mutter ist sehr krank. Todkrank. Sie wird nicht mehr lange leben.«
Talithas Knie gaben nach. Der Tonkrug auf ihrem Kopf rutschte, fiel zu Boden und zerbrach. Alles Wasser ergoss sich über die seidenen Teppiche, die den Boden des Zeltes bedeckten. Talitha sah ihre Mutter erschöpft auf einem Bett liegen, einen Arm nach ihrer Tochter ausgestreckt. Doch bevor sich ihre Fingerspitzen berührten, löste sich die Vision auf.
Justus packte Talitha bei den Schultern, rief ihren Namen und schüttelte sie. Doch sie fühlte es kaum. Alles was Talitha wollte war, ein letztes Mal die Mutter sehen.
Titus langte durch das Fenster und zog ein Stück des Seils in die Kammer, schlang es um seinen rechten Arm, legte es über die Schultern und hielt es mit der linken Hand fest. Jetzt stellte er sich schräg zum Fenster breitbeinig hin, zog einmal kräftig mit der Rechten - der Knoten, den er so kunstvoll an den Haken geknüpft hatte, löste sich, und das Seil spannte. Das Leben seines neuen Herrn lag nun in seinen Händen. Als traue sie ihm nicht, stellte sich Herodias vor ihn und packte ebenfalls das Seil mit beiden Händen. Während Titus die volle Last sicherte, bestimmte Herodias die Geschwindigkeit, mit der der Korb nach unten schwebte.
»Mir tut mein Bruder leid.« Herodias schien ein wenig außer Atem. »Er ist körperlich so klein geblieben und auch sonst wohl nie ganz erwachsen geworden. Trotz seiner jungenhaften Züge hatte er aber schon eine Glatze, bevor er zwanzig war. Doch er war ein guter Bruder.«
»War?«, presste Titus hervor und ließ das Seil weiter hinabgleiten. »Ich denke nicht, dass ich ihn noch einmal lebend sehen werde.« »Das wäre aber schade, dann wäre euer letzter Eindruck von ihm sein blanker Arsch.« Erschrocken biss sich Titus auf die Zunge. Sklaven bekamen schon für weniger den Unmut ihrer Herren schmerzhaft zu spüren.
»Mein letzter Eindruck - sein blanker Arsch!« Herodias hatte sich auf den Boden fallen lassen und lachte so sehr, dass ihr runder Körper bebte.
Wieder und wieder schüttelte sie sich und erst jetzt bemerkte Titus, dass er in Händen und Rücken kein Gewicht mehr spürte. Paulus war unten angekommen.
»Schade, dass du nicht bleiben kannst. Du hast Humor, « lächelte Herodias, als sie sich wieder beruhigt hatte. »Ich hatte nicht vor, Damaskus zu verl
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