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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783630872667
Sprache: Deutsch
Umfang: 176 S.
Format (T/L/B): 1.8 x 20.4 x 13.3 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Wie das Unerwartete das Leben beherrscht. Das Leben hat es gut gemeint mit Manuel Ritter. Der erfolgreiche HNO-Spezialist ist glücklich verheiratet und Vater zweier Kinder. Bis sich eines Tages ausgerechnet bei ihm ein lästiger Tinnitus einstellt. Seitdem klopft es in seinem Ohr, und mit jedem Klopfgeräusch kommt die Erinnerung an einen längst vergangenen Fehltritt wieder, dessen Folgen ihn plötzlich einzuholen drohen.Gerade hat der Hals-Nasen-Ohren Arzt Manuel Ritter nach einem Ärztekongress in seinem abfahrenden Zug Platz genommen, da klopft eine fremde Frau gegen das Fenster seines Abteils, als wolle sie ihm noch etwas Wichtiges sagen. Wenig später steht diese Fremde überraschend in seiner Praxis und hat einen unerhörten Wunsch, und Manuel Ritter kann sich, nachdem diese Frau wieder weg ist, fast nicht erklären, was mit ihm geschehen ist.Über zwanzig Jahre sind seither vergangen, doch auf einmal wird das, was damals passierte, für Manuel Ritter wieder lebendig. Seit sein Sohn mit einer neuen Freundin zum ersten Mal bei ihm zu Besuch war, leidet er sogar unter zunehmend stärker werdenden Ängsten. Irgendetwas schwer zu Greifendes geschieht, denn die Freundin des Sohnes erinnert ihn auf eine merkwürdige Weise an die Frau von damals. Seitdem nimmt er in seinem Ohr Geräusche wahr, die außer ihm niemand hört: es klopft. Die alte Geschichte will ihn anscheinend nicht zur Ruhe kommen lassen.Franz Hohler hat einen Roman voller Spannung und abgründiger Wendungen geschrieben. Sein Manuel Ritter verteidigt seine Biographie gegen alle Einbrüche des Unerwartbaren und Irrationalen. Er liebt das vermeintlich 'normale' Leben und mag vor dem Unbekannten nicht kapitulieren. Dennoch üben die dunklen Kräfte des Lebens einen höchst verführerischen Sog auf ihn aus. Ein Sog, der auch den Leser von der ersten Seite an immer stärker in seinen Bann zieht.

Autorenportrait

Franz Hohler wurde 1943 in Biel, Schweiz, geboren. Er lebt heute in Zürich und gilt als einer der bedeutendsten Erzähler seines Landes. Hohler ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem Alice-Salomon-Preis und dem Johann-Peter-Hebel-Preis. Sein Werk erscheint seit über fünfzig Jahren im Luchterhand Literaturverlag.

Leseprobe

Seit einer Stunde lag er im Bett und konnte nicht einschlafen. Auf dem R?cken nicht, auf dem Bauch nicht, auf der linken Seite nicht, und auf der rechten auch nicht. Das war ihm schon lange nicht mehr passiert. Er war neunundf?nfzig, und gew?hnlich war er am Abend so m?de, dass er, nachdem er im Bett noch ein paar Zeilen in einem Buch gelesen hatte, die Nachttischlampe l?schte, der Frau an seiner Seite einen Gute-Nacht-Wunsch zumurmelte und nach wenigen Atemz?gen einschlief. Erst wenn ihn seine Blase um zwei oder drei Uhr weckte, konnte es vorkommen, dass er den Schlaf nicht gleich wieder fand, dann stand er auf, nahm das Buch in die Hand und schlich sich leise aus dem gemeinsamen Schlafzimmer in seinen Arbeitsraum, bettete sich dort auf seine Couch und las so lange, bis ihm die Augen zufielen. Er dachte an den morgigen Tag, es war ein Montag, das hie? dass ihn eine volle Praxis erwartete. Um halb elf waren sie beide zu Bett gegangen, nun zeigten die Leuchtziffern seiner Uhr schon fast Mitternacht, und er sah seine Ruhezeit dahinschrumpfen, denn morgens um sechs w?rde mitleidlos der Wecker klingeln. Aufstehen und ins Arbeitszimmer wechseln, mit dem Buch in der Hand? Er f?rchtete, dadurch seine Frau zu wecken, und er f?rchtete ihre Frage, ob er nicht schlafen k?nne. Warum, w?rde sie dann fragen, warum kannst du nicht schlafen? Dann m?sste er zu einer Notl?ge greifen. Manchmal, wenn ihm ein Behandlungsfehler unterlaufen war oder wenn sich eine folgenschwere Komplikation eingestellt hatte, was zum Gl?ck selten vorkam, stand der Patient nachts pl?tzlich vor ihm mit seinem ganzen Ungl?ck und wollte ihn nicht in den Schlaf entlassen. F?r solche F?e hatte er ein Sch?telchen Rohypnol in seiner Hausapotheke, aber er hasste es, wenn er sich bet?en musste, und zudem war er mit der Dosierung nie ganz sicher. Nahm er eine ganze Tablette, schlief er zwar gut ein, hatte aber gro? M?he mit dem Erwachen und musste noch lange in den Vormittag hinein mit der Wirkung k?fen, nahm er nur eine halbe Tablette, reichte diese unter Umst?en nicht zum Schlafen und gab ihm dennoch am n?sten Morgen ein dumpfes Gef?hl. Es hing von der Schwere des Problems ab, ob er die ganze oder die halbe Pille schluckte. Und heute handelte es sich um ein schweres Problem. Schlie?ich stand er leise auf und ging ins Badezimmer. Er nahm seine Zahnb?rste aus dem Glas, wusch es aus, f?llte es mit Wasser und nahm eine Rohypnol-Tablette aus der Wandapotheke. Einen Moment lang betrachtete er sie, dann stieg er die Treppe hinauf in sein Arbeitszimmer, das Glas in der einen, die Tablette in der andern Hand. Im sp?ichen Streulicht, das von drau?n hereinfiel, ging er vorsichtig zum Schreibtisch, stellte das Glas ab, legte die Pille daneben und dr?ckte den Schalter der Tischlampe. Dann lehnte er sich zur?ck und dachte nach. Wann genau war es gewesen? Vor 22 oder vor 23 Jahren? Er hatte es fast nicht begriffen damals, von sich selbst nicht begriffen. Nach und nach hatte er sich daran gew?hnt, dass es geschehen war; ?ern konnte er es ohnehin nicht mehr, erz?t hatte er es niemandem, die fortschreitende Zeit schob es jeden Tag etwas st?er in den Hintergrund, und so hatte er es schlie?ich f?r verj?t gehalten. Heute war ihm auf einmal klar geworden, dass es eine Verj?ung zwar in der Justiz geben mochte, niemals aber im Leben. Er mochte in mancher Hinsicht ein anderer gewesen sein seinerzeit, aber auf seiner Identit?karte stand immer noch derselbe Name, Manuel Ritter, und diese seine Identit?wurde jetzt aufgerufen. Er hatte anzutreten vor seiner eigenen Verantwortung, die hinter dem Gerichtspult sa?und mit einem H?erchen auf den Tisch schlug, wenn er zu seiner Verteidigung ausholte. Er atmete tief ein und ?ffnete die Schublade seines Schreibtischs. Das alles war so lange her, dass er nicht mehr genau wusste, wo er den Umschlag aufbewahrt hatte. Er zog unter Dokumenten wie seinem Dienstb?chlein, seinem Impfausweis und seinen Arbeitszeugnissen die Kopien seiner Diplome als Leseprobe

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