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Joe Speedboat

Keine Zeit für Helden - Roman

Erschienen am 05.08.2006
Auch erhältlich als:
19,90 €
(inkl. MwSt.)

Nicht lieferbar

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783446207707
Sprache: Deutsch
Umfang: 304 S.
Format (T/L/B): 2.8 x 22 x 15.2 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Er nennt sich Joe Speedboat und rast mit einem Umzugswagen in das Wohnzimmer einer angesehenen Familie in Lomark. Joe ist in dem kleinen Kaff an der niederländisch-deutschen Grenze gelandet. Und er wird der beste Freund von Fransje, der im Rollstuhl sitzt und erzählt, wie Joes Ankunft das Dorf in Aufruhr versetzt. Die unglaublichsten Szenen - wie Joe aus Fransje einen Champion im Armwrestling macht und mit einem umgebauten Bagger die Rallye Paris - Dakar fährt - werden hier mit größter Glaubwürdigkeit erzählt. Ein turbulentes, mitreißendes Buch über das Erwachsenwerden.

Autorenportrait

Tommy Wieringa, 1967 geboren, ist einer der erfolgreichsten niederländischen Schriftsteller. Er schreibt Romane, Erzählungen, Essays und Reisereportagen. Bei Hanser erschienen Joe Speedboat (Keine Zeit für Helden - Roman, 2006), Der verlorene Sohn (Roman, 2010), Eine schöne junge Frau (Roman, 2015), Niemandes Herr, niemandes Knecht (Hanser-Box, 2015) und Dies sind die Namen (Roman, 2016). Für Santa Rita (Roman, 2019) erhielt er den BookSpot Literaturpreis sowohl in der Kategorie der Kritiker als auch der Leser.

Leseprobe

Der 1. Januar kam, nachts wurde getrunken und ein bißchen Feuerwerk gezündet, jetzt schliefen alle, um bald mit übelster Laune im neuen Jahr zu erwachen. Das Wasser war wieder etwas gesunken, es hatte knackig gefroren, und das Deichvorland lag unter einer wunderschönen Schicht aus Eis, auf das die Sonne tagsüber tiefgoldene Flammen zauberte, doch noch war es dunkel, und ich stand auf dem Deich und starrte mir in der Dunkelheit die Augen aus dem Kopf. Die Schuhe in der Hand hatten sich Joe und Christof gerade im Dunkeln mit Schlittschuhen auf den Weg gemacht, heute würde Joe zum ersten Mal versuchen, das Flugzeug in die Luft zu bekommen. Im Dunkeln murmelnd, entfernten sie sich immer weiter, bis ich nur noch das immer leiser werdende Schaben ihrer Kufen hörte. Als mir kalt wurde, fing ich an, hin und her zu fahren. Es blieb lange dunkel. Ich beschloß, ein Risiko einzugehen: ans andere Ufer, ich wollte dabeisein, den Abflug aus nächster Nähe erleben. Ich machte mich zum Lange Nek auf, wo die Straße hinter der rotweißen Absperrung unter dem Eis verschwand, und fuhr dort drauf. Ich war noch nie auf Eis gefahren. Nicht weiter erstaunlich, daß ich nervös war, aber eigentlich war nichts dabei - ich spürte, daß ich jeden Moment wegrutschen konnte und die Reifen auf dem Eis schlittern würden, wenn ich kräftig an der Stange zog, aber was machte das schon? Es gab nur wenig Reibung, ich brauchte nicht kräftig zu ziehen, um voranzukommen. Hinter Bethlehem Asphalt leuchtete ein verschwommener lila Lichtstreifen, ich war allein auf weiter Flur. Ebensogut hätte ich mit dem Flugzeug in der Pampa notlanden können. Es war märchenhaft still, ich hatte es nicht eilig, zur Halle zu kommen. In letzter Zeit steckte wieder etwas mehr Leben in mir, ich hatte mir sogar vorgenommen, aus dieser Karre rauszukommen und ein bißchen laufen zu lernen. So verrückt es auch klingen mag, ich wollte meinen verwachsenen Bewegungsapparat wieder in Schwung bringen. Ich war fast siebzehn, hatte ab und zu eine Erektion, war aber so verdammt spastisch, daß Selbstbefriedigung nicht wirklich hinhaute, trotzdem spürte ich, daß es in diesem Körper irgendwo noch Möglichkeiten für eine feinere Motorik gab - und seien sie noch so klein - und vielleicht sogar für eine radlose Form der Fortbewegung. Ich übte schon eine Zeitlang heimlich, indem ich mich mit der rechten Hand am Tisch oder am Bett festhielt und mich mit aufgerichtetem Oberkörper auf den Knien über den Boden schob. Das klingt so einfach, aber man muß es so sehen, daß ich die ganze Evolution noch mal von vorn durchlief - jetzt hatte ich also in etwa das amphibische Stadium erreicht. Ich kam gerade aus dem Sumpf und durfte langsam daran denken, mich etwas weiter aufzurichten. Ich schob mich durchs Zimmer wie ein Gläubiger auf Pilgerfahrt, und ich wußte, wenn Mam es sähe, würde sie jubeln, daß wieder ein Wunder geschehen war, und Jesaja zitieren, Â'So wird der Lahme springen wie ein Hirsch, und die Zunge des Stummen wird jubelnÂ' und so. Manche Leute glauben nun mal lieber an Wunder als an Willensstärke. Die Muskeln, die noch in meinem Körper steckten, mußten zu neuem Leben erweckt werden. Ich hatte jahrelang nur auf dem Bett gelegen und im Rollstuhl gehangen, und es war unklar, ob mein Körper noch zu etwas anderem fähig war. Mein Reha-Arzt hatte zwar daran gezweifelt, aber das war verdammt lang her. Jetzt war ich älter, und manchmal muß man sich selbst einen Auftrag erteilen. Und wenn einem dann mal grundlos Optimismus durch die Adern strömt, ist es Zeit, sich an die Arbeit zu machen. Das Eis war sagenhaft. Allmählich wurde es heller am Horizont, ich fuhr dorthin, wo ich noch nie gewesen war. Glasiges blaues Licht umgab mich, das türkise Herz eines Gletschers. So plan war das Eis und so weitläufig, warum war ich nicht eher darauf gekommen? Das tiefschwarze Eis glitt unter mir vorüber, ich fuhr bis zur äußersten Nordspitze der Fährinsel. Ich widerrufe das Bild des Gletschers: ... Leseprobe

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