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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783446206625
Sprache: Deutsch
Umfang: 432 S.
Format (T/L/B): 3.8 x 21.8 x 15.2 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Amerika 1940. Charles Lindbergh, Fliegerheld und Faschistenfreund, verbucht bei den Präsidentschaftswahlen einen erdrutschartigen Sieg über Franklin D. Roosevelt. Unter den amerikanischen Juden breiten sich Furcht und Schrecken aus - auch bei der Familie Roth in Newark. Aus der Sicht des 8-jährigen Philip schildert der Autor, was passiert wäre, wenn.

Autorenportrait

Homepage von Philip Roth

Leseprobe

Der republikanische Parteitag 1940. Als mein Bruder und ich an diesem Abend - Donnerstag, der 27. Juni - schlafen gingen, lief in unserem Wohnzimmer das Radio, und unsere Eltern und unser älterer Vetter Alvin saßen dort und hörten sich die Live-Übertragung aus Philadelphia an. Nach sechs Wahlgängen hatten die Republikaner immer noch keinen Kandidaten aufgestellt. Ein Delegierter sollte noch Lindbergh vorschlagen, aber der weilte auf einer geheimen Sitzung in einer Fabrik im Mittleren Westen, um an der Planung eines neuen Kampfflugzeugs mitzuwirken, und konnte daher nicht selbst anwesend sein und wurde auch gar nicht erwartet. Als Sandy und ich zu Bett gingen, war der Parteitag immer noch gespalten zwischen Dewey, Wilkie und zwei mächtigen republikanischen Senatoren, Vandenberg aus Michigan und Taft aus Ohio, und es sah nicht danach aus, als könnten Parteibonzen wie der ehemalige Präsident Hoover, den Roosevelts überwältigender Sieg 1932 aus dem Amt gefegt hatte, oder Gouverneur Alf Landon, den Roosevelt vier Jahre später beim größten Erdrutschsieg der Geschichte gar noch schmählicher geschlagen hatte, in absehbarer Zeit eine Lösung im Hinterzimmer ausklüngeln. Es war der erste schwüle Abend in diesem Sommer, die Fenster in allen Zimmern standen offen, und Sandy und ich konnten, ob wir wollten oder nicht, auch noch im Bett die Übertragung weiterverfolgen, und zwar sowohl aus dem Radio in unserem eigenen Wohnzimmer als auch aus dem Radio in der Wohnung unter uns und - da die Häuser lediglich durch enge Gassen, kaum breit genug für ein Auto, voneinander getrennt waren - den Radios unserer Nachbarn zur Linken und zur Rechten und gegenüber. Das war lange vor der Zeit, als Fenster-Klimaanlagen in tropischen Nächten die Geräusche der Nachbarschaft übertönten, und so bekam der ganze Block von Keer bis Chancellor die Sendung mit - ein Block, in dem kein einziger Republikaner lebte, weder in den gut dreißig Zweieinhalbfamilienhäusern noch in dem neuen kleinen Mietshaus an der Kreuzung Chancellor Avenue. In Straßen wie der unseren wählten die Juden stramm demokratisch, solange FDR die Kandidatenliste anführte. Aber wir waren noch Kinder und schliefen trotzdem ein, und wahrscheinlich wären wir erst am Morgen wieder aufgewacht, wäre nicht um 3.18 Uhr in der Nacht - die Republikaner hatten auch im zwanzigsten Wahlgang noch keine Entscheidung herbeiführen können - ganz und gar unerwartet Lindbergh in den Saal gekommen. Der schlanke, große, gutaussehende Held, ein geschmeidiger, athletischer Mann von nicht einmal vierzig Jahren, trat, erst wenige Minuten zuvor mit seinem Privatflugzeug in Philadelphia gelandet, noch in seiner Fliegermontur vor die Versammlung, und sein Anblick wirkte auf die erschöpften Delegierten wie eine Erlösung und versetzte sie in solche Begeisterung, daß sie von den Sitzen sprangen und volle dreißig Minuten lang 'Lindy! Lindy! Lindy!' skandierten, ohne daß der Vorsitzende sie auch nur einmal zur Ordnung rief. Die erfolgreiche Aufführung dieses spontanen pseudoreligiösen Schauspiels ging auf die Machenschaften des Senators Gerald P. Nye aus North Dakota zurück, eines rechtsradikalen Isolationisten, der nun Charles A. Lindbergh aus Little Falls, Minnesota, als Kandidaten vorschlug, worauf zwei der reaktionärsten Kongreßabgeordneten - Thorkelson aus Montana und Mundt aus South Dakota - die Nominierung unterstützten, und exakt um vier Uhr morgens, am Freitag, dem 28. Juni, kürte der republikanische Parteitag per Akklamation jenen Eiferer zum Präsidentschaftskandidaten, der in einer landesweit ausgestrahlten Rundfunkansprache die Juden als 'andere Völker' angeprangert hatte, die sich ihren enormen 'Einfluß' zunutze machten, um 'unser Land in die Vernichtung zu führen', statt uns wahrheitsgemäß als kleine Minderheit von Bürgern darzustellen, die den christlichen Landsleuten zahlenmäßig weit unterlegen waren, im großen und ganzen durch religiöse Vorurteile vom Streben nach Macht abgehalten ... Leseprobe

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