Beschreibung
Mouse erwacht in Betten fremder Männer, ohne sich an den Weg dahin erinnern zu können. Andrew hingegen teilt seinen Körper mit einem sexbesessenen Teenager, einer tollen Tante, grummeligen Cousins und anderen Gestalten. Mit großem Einfühlungsvermögen und schrägem Humor erzählt Matt Ruff die Geschichte zweier junger Menschen mit multipler Persönlichkeitsstörung. Begleitet von jeder Menge "Personal" brechen die beiden zu einem wilden Road Trip in ihre verstörende Vergangenheit auf.
Autorenportrait
Homepage von Matt Ruff
Leseprobe
Wird das nicht eine Stange Geld kosten?' 'Ein paar der nötigen Ersatzteile schon. Aber ich glaube, die meisten Arbeiten kann ich selbst erledigen... Würden Sie eben mal das Fenster runterkurbeln und den Arm rausstrecken? Wir müssen hier rechts abbiegen.' Vielleicht um vom Thema Autoreparatur abzulenken, fing Julie an, von sich selbst zu erzählen. Sie war vierundzwanzig und stammte aus Rhode Island, hatte aber, seit sie mit sechzehn zu Hause ausgezogen war, schon an recht unterschiedlichen Orten gewohnt. Sie hatte ein paar Jahre an der Uni Boston studiert - nacheinander Physik, Maschinenbau und Informatik -, ohne allerdings in irgendeinem Fach einen Abschluß zu machen; danach hatte sie hier und da gejobbt: als Labortechnikerin, Maschinenschlosserin, Tankwartin, Museumsführerin, Bühnenbildnerin bei einem Low-Budget-Horrorfilm, Brandwächterin, Schnellimbißköchin, Kartengeberin in einem Spielkasino, Schildermalerin für das Bauamt von Eugene, Oregon, und zuletzt als Assistentin eines Physiotherapeuten in Seattle. 'Allerdings noch nie auf einer Farm', sagte sie und grinste. Jedenfalls, fuhr sie fort, da es mit der Physiotherapie nicht mehr so besonders lief, habe sie entschieden, es sei an der Zeit, mit dem Rumgemurkse aufzuhören und ihr Leben in Ordnung zu bringen, ernsthaft mit einem Beruf anzufangen. Mit Hilfe des Onkels, der ihr den Cadillac verkauft hatte, habe sie ein Existenzgründungsdarlehen aufgenommen und in Autumn Creek ein Gebäude angemietet, um eine Firma für Software-Design zu eröffnen. 'Was für Software wollen Sie denn designen?' 'Virtual-Reality-Software', sagte Julie. Sie sah mich dabei so an, als müßte ich wissen, was das bedeutete, aber der Ausdruck war mir völlig neu. 'Was ist Virtual Reality?' 'Sie arbeiten im Bit Warehouse und wissen nicht, was Virtual Reality ist?' 'Ich arbeite hier noch nicht sehr lange.' 'Mann, das würde ich aber auch sagen.' 'Also, was ist das?' Anstatt zu antworten, wechselte sie wieder das Thema - dachte ich jedenfalls. 'Erzählen Sie mir von diesem Haus in Ihrem Kopf.' Mittlerweile saßen wir in der Bar auf der Bridge Street, in einer Nische direkt neben der Juke-Box. Julie hatte für uns beide das 'Saturday Night Special' bestellt, womit, wie ich zu spät feststellte, ein Dreieinhalbliterkübel Schwarzbier gemeint war. Alkoholtrinken verstieß gegen die Regeln meines Vaters, und ich hatte eigentlich einen Sprudel bestellen wollen, aber da ich meinen Fehler nicht eingestehen wollte, ließ ich zu, daß Julie mir einschenkte, rührte dann aber, während wir weiterredeten, das Glas nicht an. Ich erzählte ihr vom Haus: vom dunklen 'Zimmer' in Andy Gages Kopf und von meines Vaters Bemühungen, dort statt dessen einen geographischen Raum zu erschaffen. Meine Ausführungen fielen nicht so klar aus, wie ich es mir gewünscht hätte; zum erstenmal erzählte ich jemandem eine Geschichte, und ich war nervös, wußte nicht so recht, welche Details ich einbeziehen und in welche Reihenfolge ich sie bringen sollte. Daß ich einen ständig dazwischenquatschenden Kritiker hatte, machte die Sache auch nicht einfacher. Mein Vater war so diskret gewesen, die Kanzel zu verlassen, aber Adam stand noch immer da oben. Er fand, ich sei dieser wildfremden Frau gegenüber viel zu offen. 'Aber was spricht dagegen? Du hast doch selbst gesagt, daß sie ungefährlich ist.' 'Ich hab gesagt, daß sie keine Axtmörderin ist. Das heißt noch lange nicht, daß es okay ist, ihr alles über uns zu erzählen.' 'Ich erzähl ihr -' 'Horace Rollins ist also Ihr Vater?' fragte Julie, ohne zu merken, daß sie uns unterbrochen hatte. Ich schreckte zusammen. 'Nicht mein Vater', antwortete ich. 'Andy Gages Vater. Andy Gages Stiefvater. Mit mir ist er überhaupt nicht verwandt. Mit Andy Gage genaugenommen auch nicht.' 'Ihr wirklicher Vater ist also gestorben?' 'Andy Gages Vater', korrigierte ich. 'Silas Gage. Er ist ertrunken.' 'Andy Gages V ... Leseprobe