Beschreibung
Ein bravouröser und von Musik geradezu besessener Roman, in dem der Erfolgsautor Max Porter die Erkundung der Jugend aus Lanny fortsetzt.
Autorenportrait
Max Porter, 1981 geboren, studierte Kunstgeschichte und arbeitete jahrelang als unabhängiger Buchhändler und Lektor. Sein international gefeiertes Debüt Trauer ist das Ding mit Federn (2015) wurde u. a. mit dem International Dylan Thomas Prize und dem Europese Literatuurprijs ausgezeichnet. Mit Lanny (2019) stand Max Porter auf der Longlist des Booker Prize. Shy (2023) erreichte sofort nach Erscheinen Platz 1 der Sunday-Times-Bestsellerliste. Sein Werk wurde in über dreißig Sprachen übersetzt. Uda Strätling, Übersetzerin von AutorInnen wie Aldous Huxley, Teju Cole und Marilynne Robinson, hat für Kein & Aber gemeinsam mit Matthias Göritz die Romane von Max Porter übersetzt.
Leseprobe
Der Rucksack ist unverschämt schwer. Die Dielen ächzen. Er sieht noch mal nach, ja, doch, sein Joint klemmt schön quer in der Embassy-Schachtel. Bloß noch ein Halbtraum bis zum morgendlichen Wecken. Das Zimmer ist schmelzweich. Verlockend. Los jetzt. Der Rucksack unverschämt schwer. Es ist 3 Uhr 13. Ist schließlich ein Sack voller Steine, klar ist der schwer. Flintsteine sind im Durchschnitt 600 Millionen Jahre alt, sagt Steve. Zerreißprobe. Knirschende Riemen. Walkman am Start. Pandemonium Andromeda Tour, Plymouth 1994, Tape 1. Randall Back2Back Kenny Ken. Express how you're feelin. Drum'n'Bass. Jungle. Das Allergrößte. Das Amen. Absolut. Abgefahren. Heiß. Richtig schwer der Scheiß. 600 Millionen Jahre, und wir bilden uns auf unsere bestenfalls hundert was ein. Das hält er im Kopf nicht aus. Die schiere Dimension. Den Druck. Sein Magen spielt verrückt. Zeit. Leichter Drang zu scheißen. Er macht im Zimmer kein Licht. Shys Zimmer abzüglich Shy. Eve 1965 in den Balken geschnitzt. Ein schiefes Herz in den Balken geschnitzt. 1891 in den Balken geschnitzt. Shy 95, frisch gekritzelt in den Balken geritzt, mit gezacktem S, eher ein Z. Nicht mal das hat er hingekriegt. Hier gibt es eine Zukunft, Shy. Für dich. Damit es nicht knarzt, bleibt er auf dem Weg durch den Flur in der Mitte des Läufers. Jamie schläft nie, hat aber bestimmt seinen Kopfhörer auf. Steve, Amanda, Owen unten, Benny, Posh Cal, Paul, Riley, Ash. Der Rucksack ist unverschämt schwer. Miese kleine Ratte. Die Schultern tun ihm mörderisch weh. Ein Schritt und noch einer. Sachte, sachte. Riecht noch nach dem Chili con carne vom Abend. Achselschweiß und flächendeckender Furzmief. Leckt mich doch. TexMex und altfeuchte Mauern. Er bleibt am Fuß der Treppe stehen und nibbelt an seinem Daumen. ZischtickZischtick, der Stromzähler wie ein langsam rückwärts laufender Break. Zwischen Zuständen gefangen. Geborgen. Flüchtig. Es schlägt dreizehn, seht den kleinen Shy mit seinem letzten Spliff und Lieblingstape. Junge auf der Treppe, dann draußen. Als die Uhr dreizehn schlug. So fühlt sich das an, genau so, verdammt. An das Buch hat er seit Jahren nicht mehr gedacht. Und das hier ist Shy. Den findet man meist hier unter seinem Kopfhörer monologisierend in seiner Ecke. Er will nicht gefilmt werden. Aber sag doch hallo, Shy, machst du das? Wenn die Riemen reißen, ist das Ding gelaufen, dann rasseln hundert Flinte auf die Fliesen der Diele. Denkmalschiefe Treppen und Böden, schutzwürdige Historie, hysterische Lehrer. Beschissener uralter Reebok-Rucksack. Lynx Africa. Herz wummwummert wie vor Angst. Blödsinniges Drama vor leerem Saal. Obsessiv offerierte Stimmen aus dem Off. Heute sind wir ein ganzes Stück weitergekommen, Shy. Das freut mich sehr. Was hat er nicht alles angestellt - gesprayt, gekokst, geraucht, geflucht, gestohlen, gestochen, geschlagen, gelauert, Reißaus genommen, einen Escort geschrottet, einen Laden zerlegt, ein Haus verwüstet, eine Nase gebrochen, den Finger seines Stiefvaters durchstochen, aber geschlichen ist er schon länger nicht mehr. Das stresst. Psychisch vulnerable Jugendliche mit besonderem Betreuungsbedarf - oder ein Haufen minderjähriger Straftäter auf steuerfinanzierter ländlicher Kur? Er hat den Wintergarten erreicht, neun stille, teppichstumme Schritte zu den hohen Verandaf
Schlagzeile
Ein emotionaler Paukenschlag