Beschreibung
Eine neblige Ostseeinsel, Mitte der Neunziger. Auf der letzten Fähre nach Niewetow in einer regnerischen Nacht begegnet Daniel Brandenburg der Tod zum ersten Mal. Dann scheint er an jeder Ecke zu lauern: Bei der Ru¨ckkehr zu seiner Pension in einer ehemaligen NVA-Kaserne findet Brandenburg im Hafenbecken eine Leiche. Im Gegensatz zum ermittelnden Kommissar Edgar Krummnow glaubt der angehende Journalist nicht an einen Unfall, sondern an einen Todesengel am Werk, zumal weitere Tote folgen: Eine alte Frau erschrickt zu Tode, ein Säufer ertrinkt in der Badewanne, ein anderer stu¨rzt die Treppe hinab. Brandenburg stellt eigene Untersuchungen an und ahnt nicht, dass er selbst ein Lockvogel ist. In seinem Remake von Ray Bradburys Klassiker 'Der Tod ist ein einsames Geschäft' (1985) überträgt Karsten Stegemann die morbide Nachkriegsstimmung in Venice Beach, Kalifornien, in das neblige Inselstädtchen Niewetow und beschreibt den Zerfall eines Gemeinwesens in den Jahren nach der Wiedervereinigung, die von Auflösung und Ausverkauf geprägte Nachwendestimmung im Nordosten der ehemaligen DDR. 'Was Stegemann da abzieht, ist eine subtil gemachte Horrorshow, bei der lange auf der Kippe steht, ob es nun einen Mörder gibt oder nicht oder was da überhaupt passiert. Der eine Staat ist weg, der andere Staat ist noch nicht richtig angekommen - in dem Vakuum tummelt sich das Grauen, das Unheimliche, in einem Suspense-Szenario vom Feinsten.' Thomas Wörtche, CULTurMAG
Autorenportrait
Karsten Stegemann ist 1963 in Pasewalk geboren und hat Medizin an der Charité in Berlin studiert. Er war Texter und Sänger in verschiedenen Studentenbands, Kulturredakteur und Autor der Zeitschrift »Arranca« und Autor für das Feuilleton der Zeitung »junge Welt«. Seit 2001 ist er freiberuflicher Autor vor allem im Theaterbereich; zu seinen aufgeführten Stücken gehören »Eva Braun Medea«, »Spartakus«, »Hoch Oben« und »Die Abenteuer des braven Soldat Schwejk« nach dem Roman Jaroslav Haseks.
Leseprobe
Niewetow war in jenen Jahren der ideale Ort für Leute, die gern traurig sind. Beinahe jeden Abend hing Nebel über der Stadt auf der Insel, vor deren Küste die Reste der Kriegsmarine einer untergegangenen Armee vor sich hinrosteten, das trübe Brackwasser des Stromes schwappte gegen die Hafenmauern, und Sandkörner prasselten an die Fensterscheiben, wenn der Wind über verlassene Plätze und durch leere Straßen pfiff.