Beschreibung
Ort: die Erde. Zeit: die nähere oder fernere Zukunft - nach dem Zusammenbruch eines Vierten Reichs. Der Menschheit droht die Vernichtung durch einen nuklearen Krieg. Die Regierungsmitglieder der wichtigsten westlichen Staaten haben sich in Satelliten geflüchtet, um dem Inferno zu entgehen. Doch dann kommt alles ganz anders: Die Welt wird in letzter Minute gerettet - und zwar durch eine Revolution. Die sogenannten Gleichmacher versuchen, nach ihrem Sieg ein sozialistisches System zu etablieren - nicht gewaltfrei. Es wird grausam gefoltert und leidenschaftlich hingerichtet. Doch bei Gisela Elsner wird die Racheorgie bis zur Burleske getrieben. Nach dem Vorbild der russischen Revolution werden Volkskommissare eingesetzt, um eine provisorische Regierung zu bilden. Elsner hatte offenbar Spaß daran, die absurdesten Kommissariate zu erfinden, so einen Volkskommissar für Meinungsmanipulationsahndung, eine Volkskommissarin für Familienentflechtung oder gar einen Volkskommissar für Bourgeosieerrungenschaftsentrümpelung. Erzählt wird aus der Perspektive eines Vertreters des kapitalistischen Systems, des ehemals prominenten Fernsehkommentators Benno Flex. Durch diesen "Kunstgriff" solle sich das kapitalistische System selbst entlarven - so die Hoffnung Elsners. 1986, als sie mit der Arbeit an dem Manuskript begann, war dies noch vorstellbar. Doch das sollte sich mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der verbündeten sozialistischen Staaten ändern. So blieb der Text ein Fragment - ein sehr umfangreiches und von der Idee her ausgereiftes. "Die teuflische Komödie" zeigt, dass Gisela Elsner keineswegs davor zurückschreckte, auch den Sozialismus ihrer satirischen Kritik auszusetzen.
Autorenportrait
Gisela Elsner wurde am 2. Mai 1937 in Nürnberg geboren. Nach einem kurzen Studium der Philosophie, Germanistik und Theaterwissenschaften in Wien lebte sie als freie Schriftstellerin unter anderem in Rom, London, Paris, Hamburg, New York und schließlich in München. Sie veröffentlichte acht Romane, diverse Erzählungen, Aufsätze und Hörspiele sowie ein Opernlibretto. Für ihr Werk erhielt sie etliche internationale Auszeichnungen, darunter den Prix Formentor für ihren ersten Roman "Die Riesenzwerge". Am 13. Mai 1992 nahm sich Gisela Elsner das Leben. Seit 2002 erscheint eine von Christine Künzel betreute Werkschau Gisela Elsners im Verbrecher Verlag. Lieferbar sind die Romane 'Heilig Blut', 'Fliegeralarm' und 'Otto der Großaktionär' sowie die Bände 'Versuche, die Wirklichkeit zu bewältigen' (Gesammelte Erzählungen 1), 'Zerreißproben' (Gesammelte Erzählungen 2), 'Flüche einer Verfluchten' (Kritische Schriften 1) und 'Im literarischen Ghetto' (Kritische Schriften 2).
Leseprobe
Lenelotte Wackwitz beriet anläßlich ihres Fernsehauftritts Brautpaare, Pärchen, Ehepaare, Mütter und Väter, Schwangere, denen sie entweder eine ABTREIBUNG befahl oder eine GEBÄRGENEHMIGUNG erteilte. Auch ließ diese Volkskommissarin von den ihr unterstellten Familien-Entflechtern und -Entflechterinnen Kindergärten und Jugendtreffs eröffnen, ohne sich darum zu scheren, daß zahllose liebende Mütter darunter leiden, daß sie ihre Kindchen aufgrund des sogenannten KINDERVERZÄRTELUNGSVERBOTS morgens in den staatlichen Kindergärten abliefern und abends erst wieder abholen dürfen. Die weinenden Mütter wurden im Fernsehen allerdings nicht gezeigt. Man präsentierte den Fernsehzuschauern nur Kinder, die sich mit Händen und Füßen dagegen sträubten, aus ihren Kindergärten abgeholt zu werden. [.] Im Rahmen eines HEIMCHENVERFRAUUNGSPROGRAMMS kündigte Frau Wackwitz im Fernsehen an, daß fortan Mütter Berufsausbildungen zu absolvieren hätten, die es erforderlich mach[t]en, daß sie Heim und Herd, egal ob es sie dorthin zog oder nicht, mindestens für fünf Tagesstunden pro Tag verlassen müßten. [.] In dieser Sendung war auch davon die Rede, daß im ganzen Lande sogenannte HORIZONTERWEITERUNGSAKTIONEN für angeblich erziehungsverengstirnte Mütter im Gange seien, die ihre besten Jahre hinter sich hatten. Diese Mütter umjubelten Lenelotte Wackwitz ebensowenig wie dies eine leider immer kleiner werdende Minorität junger Mädchen tut, die, obwohl sie, seitdem sie denken konnten, nichts anderes als Mütter werden wollten, dank des GEBÄRVERBOTS FÜR UNAUSGEBILDETE vor der Geburt eines Kindes erst nach ihrer Einstellung in irgendwelchen Unternehmen, Organisationen oder Institutionen eine Chance haben, sich von Männern, die ihnen als Väter ihrer Kinder wünschenswert erscheinen, ihr keimendes Leben zeugen zu lassen.