Autorenportrait
Frank P. Meyer, geboren 1962, studierte Anglistik und Germanistik in Trier und Oxford. Er lebt im saarländischen Primstal und in Trier, wo er als Leiter der Zentralen Studienberatung arbeitet.
Leseprobe
»Beim Waldbaden werden Schreibtischhengste ausgewildert, wenn auch nur für anderthalb Stunden. Waldbaden kommt aus Japan, heißt dort Shirin Yoku und hilft praktisch gegen alle Zivilisationskrankheiten wie Rücken oder Blutdruck und wirkt sogar vorbeugend gegen Krebs. Ob es gegen Akne oder Haarausfall hilft, steht noch nicht fest. Es einmal auszuprobieren schadet jedenfalls nicht, und so finde ich mich an einem einladenden Waldrand zum geführten Waldbaden wieder. Als Kind zwangen mich meine Eltern zu Sonntagsspaziergängen im ortsnahen Mischwald. Mein Vater wies dabei stets auf die saubere Luft hin und nötigte mich, wiederholt tief einzuatmen. Das war nervig, vor allem wenn man bedenkt, dass wir gerade Buntfernsehen gekriegt hatten und immer dann wanderten, wenn bald Bonanza lief. Bei Waldspaziergängen konnte ich an nichts anderes denken als daran, bloß rechtzeitig auf der Couch zu sitzen, wenn das Loch in die Landkarte der Ponderosa-Ranch brannte. Heute weiß ich: Meinte Eltern hatten es gut gemeint und intuitiv das Waldbaden erfunden, lange bevor die Japaner einen weltweiten Trend daraus machten.«