Beschreibung
Von St. Petersburg zum Baikalsee - eine Reise durch das größte Land der Welt und die berühmte 'russische Seele'. Russland zu lieben und dafür gleich 111 Gründe zu finden? Das ist nicht einfach. Das Land ist einfach zu groß. Es entzieht sich jeder Umarmung. So ein Land ist schon schwer zu verstehen. Aber gleich lieben? Es gibt ja Menschen, die meinen, man könne Russland gar nicht verstehen. Man müsse an das Land einfach glauben. Das mag stimmen, wenn man es gleich in seiner ganzen Größe von der Ostsee bis zum Pazifik, vom Schwarzen Meer bis zum Arktischen Ozean in Angriff nimmt. Aber man muss ja nicht gleich alles lieben und kann viele kleine und große, eben 111 Gründe finden: die Großherzigkeit vieler Menschen, den fantastischen Baikalsee, die überwältigende Liturgie der orthodoxen Kirche oder einfach nur die mitunter unendlich scheinende Weite des Landes. Und dann gibt es noch die bittersüßen Gründe, bei denen einem, wie man in Russland sagt, 'die Seele wehtut'. Denn zum Schluss ist Russland ein Land wie viele andere auch. Vielleicht ein bisschen größer, aber genauso widersprüchlich - und eben deshalb liebenswert. EINIGE GRÜNDE Weil Diebe ihr eigenes Gesetz haben. Weil Heringe einen Pelz tragen. Weil Trinksprüche (fast) nie zu Ende gehen. Weil es eine besondere Kunst ist, Verkäuferinnen zum Lächeln zu bringen. Weil hier keine Bären durch die Straßen laufen. Weil 1000 Kilometer keine Entfernung sind. Weil nur Säufer trinken, ohne zu essen. Weil alles immer 'normal' ist. Weil die russische Schimpfsprache so tabu wie allgegenwärtig ist. Weil Russisch so wunderbar lakonisch sein kann. Weil die Badesaison nicht auf den Sommer beschränkt ist. Weil zur russischen Sauna, der Banja, unbedingt ein Besen gehört. Weil sogar Obdachlose und Krankenschwestern klassische Gedichte aufsagen können. Weil Frauen in Russland das starke Geschlecht sind. Weil in Russland die Dissidenten erfunden wurden. Weil nirgendwo das Licht so weich ist wie in den St. Petersburger weißen Nächten. Weil Geschichte in Russland unvorhersagbar ist. Weil hier der Baikalsee liegt. Weil es Leute gibt, die auf Rentieren reiten. Weil Verkehrspolizisten sehr menschlich sein können. Weil es für alles eine Abkürzung gibt.
Autorenportrait
JENS SIEGERT, 1960 in Westdeutschland geboren, lebt und arbeitet seit 1993 in Moskau. Erst hat er über das Land als Radiokorrespondent berichtet, dann, ab 1999, das Moskauer Büro der grünen Heinrich-Böll-Stiftung geleitet. Das Schreiben hat er nicht aufgegeben. In seinem Russlandblog (http://russland.boellblog.org) und den 'Notizen aus Moskau' in den Russlandanalysen begleitet er das Land freundschaftlich-kritisch. Die tiefsten Einblicke verdankt er seiner russischen Frau und vielen guten Freunden.
Leseprobe
Russland ist ein sehr kaltes Land. Da verwundert es nicht, dass es auch hier ein traditionelles Schwitzbad gibt. Die russische Sauna wird Banja genannt - und ist natürlich auch keine trockene Sauna, aber auch kein nasses Dampfbad. Die Banja ist etwas ganz Eigenes dazwischen. Ursprünglich war sie schlicht das Bad, der Ort der wöchentlichen Reinigung. In der Schwitzkammer befindet sich oft ein großer Wasserbehälter über der Feuerstelle. Damit wird sich nach dem Gang in die Banja gewaschen. In einem Eimer oder einer Schüssel wird das heiße Wasser aus dem Kessel mit kaltem Wasser auf angenehme Temperatur gebracht und dann mit einer Kasserolle über den Kopf gekippt. Das kochende Wasser im Kessel ist aber noch für etwas Anderes wichtig, für den Besen, russisch Wenik, ein Bündel aus Laubreisern. Er wird im heißen Wasser eingeweicht. Dann schlagen sich die Banjagänger mit ihm. Was martialisch klingt, tut gut und bringt das Blut in Wallung. Rosigere und weichere Haut schaffen keine noch so teuren Kosmetika. Jens Siegert