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Hitlers Schatten

Deutsche Reportagen

Erschienen am 16.06.2013, 1. Auflage 2013
19,90 €
(inkl. MwSt.)

Lieferzeit unbestimmt

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783939816164
Sprache: Deutsch
Umfang: 160 S.
Format (T/L/B): 2 x 21.8 x 14 cm
Lesealter: 14-99 J.
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

GEGEN DAS VERGESSEN Hitler und kein Ende. Kein historisch-politisches Thema vermag die Deutschen mehr zu bewegen und zu erregen. Hitler ist ein Popstar. Eine Ikone der Medien- und Unterhaltungsindustrie. Ein Magazin, das Hitler auf die Titelseite setzt, verkauft sich immer gut. In seinem Erregungs- und Entrüstungspotenzial lässt sich Hitler von keiner anderen historischen Schreckensgestalt übertreffen. Es scheint, als wäre Hitler den Deutschen nach mehr als sechzig Jahre nach Kriegsende näher denn je. Es gibt eine neue Leichtigkeit im Umgang mit dem Nationalsozialismus. 'Nicht, weil der Gegenstand seine Schrecken verloren hat', wie Jens Jessen schreibt, sondern 'weil sich der Schrecken vom Gegenstand gelöst hat'. DER UNTERGANG, ein Film über Hitlers letzte Tage, fand schon kurz nach wenigen Tagen mehr als eine Million Besucher. Guido Knopps ZDF-Dokumentationen sind Quotenbringer. Die 'dokumentarischen' Filme und Fernseh-Dokumentationen leben von der Fiktionalisierung. Und die ist unaufhaltsam, schon allein deshalb, weil die letzten Augenzeugen aussterben. Das tatsächlich Geschehene weicht einem historischen Mythos, der keine Widersprüche kennt. Die Gestalten, die Propaganda, die Verbrechen des Dritten Reichs verschwinden, das reale Grauen schlägt um in schaudernde Faszination. So wird das Dritte Reich rhetorisch vernebelt, marktgängig in die Jetzt-Zeit transferiert. Die Nazizeit verkommt zur beliebigen einsetzbaren Chiffre des Bösen - mit einem verhängnisvollen Nebeneffekt: Es ist die Verharmlosung. Dass dies so ist, daran haben in den letzten Jahrzehnten viele mitgewirkt: Richter, Politiker, Historiker, Medienleute. Der verharmlosenden Beliebigkeit gingen Jahre der Verleugnung und Verdrängung voraus. Joachim Perels dokumentiert (in: DIE ZEIT vom 20.Januar 2006) anhand zahlreicher Beispiele, dass die bis heute aufgestellte Behauptung, die juristische Aufarbeitung der NS-Herrschaft sei weitgehend gelungen, zu den lieb gewonnenen Legenden der Bundesrepublik gehört. Bereits 1949 beschloss der Gesetzgeber eine Amnestie für eine Vielzahl NS-Gewalttäter. So wurde u. a. Hitlers Amnestieregelung für staatliche Straftäter bei der Reichsprogromnacht von 1938 weitgehend wieder in Kraft gesetzt. Das Amnestiegesetz von 1954 folgte einer vergleichbaren Logik: es war nichts weniger als der Versuch, Straffreiheit für bestimmte maßnahmenstaatliche Akte der NS-Diktatur zum Bestandteil der Rechtsordnung zu machen. So verwandelten sich Tötungs- und Gewaltdelikte in eine von 'oben' befohlene Straftat ohne eigene Verantwortung. Die Täter und deren Taten wurden weißgewaschen. Sie hatten angeblich keine eigene, sondern gewissermaßen eine 'fremde' Tat begangen. Es ist eine beschämende Tatsache: Die Ahndung der Verbrechen des Nazi-Regimes ist - trotz wichtiger Verfahren wie dem Auschwitz-Prozess - überwiegend gescheitert. Abgesehen von Einzelverfahren blieb Hitlers Kommandozentrale ebenso unbehelligt wie beispielsweise die Blutrichter des NS-Volksgerichtshofes und deren juristische Gehilfen. Vergangenheitsbewältigung - eine Lebenslüge der Deutschen? Ein juristischer, gesellschaftlicher und politischer Etikettenschwindel? Zu mindest ein populäres und ein umstrittenes Wort. Es gilt als typisch deutsch. Vielleicht offenbart es, wie der Schriftsteller Bernhard Schlink meint, allenfalls eine 'Sehnsucht nach Unmöglichem'. Kann, was geschehen ist, überhaupt bewältigt werden? Berliner Republik 2013: Die Vergegenwärtigung der Vergangenheit folgt heute anderen Prämissen. Nicht die Verleugnung und Verdrängung der Adenauer-Ära, nicht die Fragen der skeptischen Generation der siebziger Jahre nach der Schuld und Mitschuld ihrer Väter und Großväter stehen heute im Vordergrund: Heute bestimmen einerseits kontroverse Auseinandersetzungen über eine neue Gedenkkultur die öffentliche Debatte, etwa um das Berliner Holocaust-Denkmal, andererseits ist die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus mehreren Relativierungen ausgesetzt, in denen es vor allem

Autorenportrait

Die Autorinnen und Autoren: Georg Böhnisch Jahrgang 1948, ist Korrespondent des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL in Düsseldorf. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht. Zuletzt erschien - zusammen mit Klaus Wiegreife - "Die 50er Jahre - Vom Trümmerland zum Wirtschaftswunder", DVA 2006. Constanze von Bullion Jahrgang 1964, arbeitet als Redakteurin und Journalistin in Berlin für zahlreiche Zeitungen, vor allem für die Süddeutsche Zeitung. Michael Frank Jahrgang 1947, ist seit 1986 Auslandskorrespondent der Süddeutschen Zeitung, wechselweise in Prag und Wien. Für seine journalistischen Arbeiten erhielt er mehrere Auszeichnungen, u.a. den Joseph-Roth-Preis. Erwin Koch Jahrgang 1955, ausgebildeter Jurist, arbeitet als Reporter und Schriftsteller für zahlreiche internationale Zeitungen und Magazine, u.a. DER SPIEGEL, DIE ZEIT. Er hat eine Vielzahl von Büchern veröffentlicht, zuletzt "Der Flambeur", Nagel & Kimche (2005), sowie "Wir weinen nicht - Zeugnisse, Berichte, Reportagen", DTV (2004) und den Roman "Sara tanzt", Nagel & Kimche (2003), der große Resonanz fand. Ingrid Müller-Münch Jahrgang 1947, arbeitet als freiberufliche Journalistin in Köln für WDR und Frankfurter Rundschau. Sie veröffentlichte mehrere Bücher, u.a. "Die Frauen von Majdanek" (1998). Helmut Ortner hat zahlreiche Bücher veröffentlicht. Bekannt wurde er mit 'Der einsame Attentäter - Georg Elser, der Mann der Hitler töten wollte' sowie 'Fremde Feinde - Der Fall Sacco und Vanzetti'. Zuletzt erschienen: 'Das Buch vom Töten - Über die Todesstrafe' und der Kolumnenband 'Widerstand ist zwecklos. Aber sinnvoll.' Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Peter Roos Jahrgang 1950, lebt als freier Schriftsteller in Wien. Er schreibt für zahlreiche Zeitungen und Magazine u.a. DIE ZEIT, DER SPIEGEL, FAZ. Aufsehen erregte sein Buch "Hitler lieben - Roman einer Krankheit" (2000). Zuletzt veröffentlichte er u.a. "Tabori zieht um" (mit Maurice Weiss), Bibliothek der Provinz (2004). Thorsten Schmitz Jahrgang 1966, studierte Politikwissenschaft und Volkswirtschaft und war an der Journalistenschule in München. Ab 1992 Reporter bei der tageszeitung, später freier Mitarbeiter bei GEO, DIE ZEIT und Frankfurter Rundschau. Von 1998-2010 war er Israel-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung (SZ). Mittlerweile ist er Reporter im Berliner Hauptstadtbüro und schreibt vor allem für die Seite Drei der SZ. Martin Schmitz-Kuhl Jahrgang 1970, lebt und arbeitet als freier Journalist, Autor und Medienentwickler in Frankfurt am Main. Zuvor arbeitete er als (Chef-)Redakteur oder Projektleiter von diversen Publikums- und Fachmagazinen. Alexander Smoltczyk schreibt vor allem für DER SPIEGEL. Für seine journalistischen Arbeiten wurde er zweimal mit dem Egon-Kisch-Preis ausgezeichnet. Sein Buch "Der Wald ohne Schatten - Auf der Suche nach den letzten Orten dieser Welt" erschien im Ch. Links Verlag (1996). Günther Schwarberg Jahrgang 1926, seit 1945 Journalist, 25 Jahre beim STERN, Autor zahlreicher Bücher, u.a. "Der SS-Arzt und die Kinder vom Bullenhuser Damm", Steidl (Neuausgabe 2006) sowie "Dein ist mein ganzes Herz - Die Geschichte von Fritz Löhner-Beda, der die schönsten Lieder der Welt schrieb, und warum Hitler ihn ermorden ließ", Steidl (2003). Ulrich Völklein Jahrgang 1949, war Redakteur bei DIE ZEIT und Ressortleiter beim STERN. Er hat zahlreiche Sachbücher und Reportagebände veröffentlicht, u.a. "Josef Mengele. Der Arzt von Auschwitz", Steidl (2003). Zuletzt erschienen "Abschied von Sophiental - Eine schlesische Reise", Droemer/Knaur (2006) sowie "Mitleid war von niemand zu erwarten - Das Schicksal der deutschen Vertriebenen", Droemer/Knaur (2005).

Leseprobe

GEGEN DAS VERGESSEN Hitler und kein Ende. Kein historisch-politisches Thema vermag die Deutschen mehr zu bewegen und zu erregen. Hitler ist ein Popstar. Eine Ikone der Medien- und Unterhaltungsindustrie. Ein Magazin, das Hitler auf die Titelseite setzt, verkauft sich immer gut. In seinem Erregungs- und Entrüstungspotenzial lässt sich Hitler von keiner anderen historischen Schreckensgestalt übertreffen. Es scheint, als wäre Hitler den Deutschen nach mehr als sechzig Jahre nach Kriegsende näher denn je. Es gibt eine neue Leichtigkeit im Umgang mit dem Nationalsozialismus. 'Nicht, weil der Gegenstand seine Schrecken verloren hat', wie Jens Jessen schreibt, sondern 'weil sich der Schrecken vom Gegenstand gelöst hat'. DER UNTERGANG, ein Film über Hitlers letzte Tage, fand schon kurz nach wenigen Tagen mehr als eine Million Besucher. Guido Knopps ZDF-Dokumentationen sind Quotenbringer. Die 'dokumentarischen' Filme und Fernseh-Dokumentationen leben von der Fiktionalisierung. Und die ist unaufhaltsam, schon allein deshalb, weil die letzten Augenzeugen aussterben. Das tatsächlich Geschehene weicht einem historischen Mythos, der keine Widersprüche kennt. Die Gestalten, die Propaganda, die Verbrechen des Dritten Reichs verschwinden, das reale Grauen schlägt um in schaudernde Faszination. So wird das Dritte Reich rhetorisch vernebelt, marktgängig in die Jetzt-Zeit transferiert. Die Nazizeit verkommt zur beliebigen einsetzbaren Chiffre des Bösen - mit einem verhängnisvollen Nebeneffekt: Es ist die Verharmlosung. Dass dies so ist, daran haben in den letzten Jahrzehnten viele mitgewirkt: Richter, Politiker, Historiker, Medienleute. Der verharmlosenden Beliebigkeit gingen Jahre der Verleugnung und Verdrängung voraus. Joachim Perels dokumentiert (in: DIE ZEIT vom 20.Januar 2006) anhand zahlreicher Beispiele, dass die bis heute aufgestellte Behauptung, die juristische Aufarbeitung der NS-Herrschaft sei weitgehend gelungen, zu den lieb gewonnenen Legenden der Bundesrepublik gehört. Bereits 1949 beschloss der Gesetzgeber eine Amnestie für eine Vielzahl NS-Gewalttäter. So wurde u. a. Hitlers Amnestieregelung für staatliche Straftäter bei der Reichsprogromnacht von 1938 weitgehend wieder in Kraft gesetzt. Das Amnestiegesetz von 1954 folgte einer vergleichbaren Logik: es war nichts weniger als der Versuch, Straffreiheit für bestimmte maßnahmenstaatliche Akte der NS-Diktatur zum Bestandteil der Rechtsordnung zu machen. So verwandelten sich Tötungs- und Gewaltdelikte in eine von 'oben' befohlene Straftat ohne eigene Verantwortung. Die Täter und deren Taten wurden weißgewaschen. Sie hatten angeblich keine eigene, sondern gewissermaßen eine 'fremde' Tat begangen. Es ist eine beschämende Tatsache: Die Ahndung der Verbrechen des Nazi-Regimes ist - trotz wichtiger Verfahren wie dem Auschwitz-Prozess - überwiegend gescheitert. Abgesehen von Einzelverfahren blieb Hitlers Kommandozentrale ebenso unbehelligt wie beispielsweise die Blutrichter des NS-Volksgerichtshofes und deren juristische Gehilfen. Vergangenheitsbewältigung - eine Lebenslüge der Deutschen? Ein juristischer, gesellschaftlicher und politischer Etikettenschwindel? Zu mindest ein populäres und ein umstrittenes Wort. Es gilt als typisch deutsch. Vielleicht offenbart es, wie der Schriftsteller Bernhard Schlink meint, allenfalls eine 'Sehnsucht nach Unmöglichem'. Kann, was geschehen ist, überhaupt bewältigt werden? Berliner Republik 2013: Die Vergegenwärtigung der Vergangenheit folgt heute anderen Prämissen. Nicht die Verleugnung und Verdrängung der Adenauer-Ära, nicht die Fragen der skeptischen Generation der siebziger Jahre nach der Schuld und Mitschuld ihrer Väter und Großväter stehen heute im Vordergrund: Heute bestimmen einerseits kontroverse Auseinandersetzungen über eine neue Gedenkkultur die öffentliche Debatte, etwa um das Berliner Holocaust-Denkmal, andererseits ist die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus mehreren Relativierungen ausgesetzt, in denen

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