Beschreibung
Bückware, Gegenplan, Komplexbrigade - ferne Klänge aus einem untergegangenen Staat, vielfach vergessen, aber auch nur drei der zahlreichen Symbole für einst herrschende Verhältnisse, die nicht einfach nur verdrängt werden dürfen. Denn das politische System der DDR herrschte mehr als vierzig Jahre und prägte die Mentalität von Generationen, selbst dann, wenn man in Distanz oder gar Opposition zum Regime stand. Das sollten auch die Westdeutschen wissen, die sich über die Absurditäten jenseits der Grenze meist nur lustig machten. Opposition und Widerstand wurden 1989 zwar mit Wohlwollen aufgenommen, fügten sich aber vielfach in eine Siegermentalität, mit der man die sich selbst befreienden Ossis nur als ökonomischen Zuwachs der eigenen Wohlfahrtsgesellschaft werten wollte. Bis man erstaunt zur Kenntnis nahm, dass man es mit Menschen zu tun hatte, die die im Westen herrschenden Verhältnisse, insbesondere die Kommerzialisierung auch privater Lebensbereiche, mehr als befremdlich empfanden. Insofern wollen die Stichwörter dieses Lexikons nicht nur Vergangenes aufrufen, sondern auch Anregungen für eine kritische Distanz zur wiedervereinigten Gegenwart bieten.
Autorenportrait
Prof. Dr. Horst Dieter Schlosser (Jg. 1937) hat etliche Phasen seiner Kindheit in der Oberlausitz, in Thüringen und Nordböhmen verbracht. Seitdem ist er diesen Landesteilen nicht zuletzt durch Freundschaften, die er zu DDR-Zeiten auffrischen konnte, persönlich verbunden. Von 1947 bis 1965 lebte er in Hamburg, studierte dort, auch in Münster und Freiburg, Germanistik, Geschichte, Philosophie und Pädagogik. Nach seiner Promotion zum Dr. phil. ging er an die Goethe-Universität in Frankfurt a.M. und wurde 1972 zum Professor für Deutsche Philologie ernannt. Er nahm an der GoetheUniversität 1976-78 und 1988-90 das Amt eines Universitätsvizepräsidenten wahr und lehrte bis 2010 deutsche Sprachgeschichte und Soziolinguistik. Ab Ende der 1970er Jahre machte er den ost-westlichen Sprachvergleich zu einem seiner Schwerpunkte, den er aber stets mit Blick auf die jeweiligen historischen, politischen und sozialen Verhältnisse in den beiden Teilen Deutschlands betrieb. "Erst durch die genauere Betrachtung von DDR-Besonderheiten", so resümierte er einmal, "ist auch mein Blick auf die westdeutschen Verhältnisse geschärft worden." Konkrete Erfahrungen konnte er durch mehrere Reisen in und durch die DDR gewinnen. Nicht zuletzt aus dieser Perspektive gingen seit 1980 zahlreiche Publikationen hervor, u.a. "Die deutsche Sprache in der DDR zwischen Stalinismus und Demokratie" (1990 und 1999) und "»Es wird zwei Deutschlands geben« - Zeitgeschichte und Sprache in Nachkriegsdeutschland 1945-1949" (2005). Prof. Schlosser ist korrespondierendes Mitglied des Collegium Europaeum Jenense an der Universität Jena und Ehrenmitglied der Gesellschaft für deutsche Sprache.