Beschreibung
Johann Christian Reinhart war einer der großen Landschaftsmaler und Radierer der Goethezeit. Geboren 1761 als Sohn eines Pfarrers im kleinen oberfränkischen Hof (das er keineswegs so 'abscheulich' findet wie der zwei Jahre jüngere Jean Paul) führt ihn sein Weg über Studien- und lebenslustige Wanderjahre in Leipzig, Dresden und Meiningen 1789 nach Italien. 'Rom ist mein Vaterland geworden', schreibt er nach Hause - und er sollte es nie wieder verlassen. 58 Jahre lang hat er in der Stadt am Tiber gelebt; 1847 wurde er dort auf dem Ausländerfriedhof an der Cestius-Pyramide zu Grabe getragen. Über Generationen hinweg war er das bewunderte 'Kunsthaupt' (Ludwig Richter) der deutschen Fremdenkolonie gewesen, Erfinder der feuchtfröhlichen Frühlingsfeste in den Grotten von Cervara und Mitbegründer des 'Deutschen Künstlervereins'. Mit seinen 'Malerisch radierten Prospekten von Italien' hat er die Campagna von Rom, die er zu Pferd und als leidenschaftlicher Jäger durchstreifte, dem deutschen Publikum nahegebracht. Als Bayerischer Hofmaler schuf er für König Ludwig I. u.a. die 'Vier Ansichten von der Villa Malta in Rom' (München, Neue Pinakothek). Dieter Richter schildert Reinhart als Künstler und Lebenskünstler, als lebensfrohen, streitbaren Freigeist, einen 'Erzketzer' (wie er sich einmal nannte) im päpstlichen Rom. Sein Haus auf dem Pincio war geselliger Mittelpunkt der internationalen 'Künstlerrepublik', zahlreichen Reisenden blieb er zudem als ortskundiger Cicerone durch die Stadt und die Landschaften der Albaner Berge in Erinnerung. Ein weitgespannter Briefwechsel, u.a. mit Friedrich Schiller, den er vergebens nach Rom zu ziehen versuchte, verband ihn mit Schriftstellern, Verlegern und Künstlern, nicht zuletzt mit dem Kreis um den bayerischen König Ludwig I. Neu zu entdecken bleibt schließlich eine ganz besondere biographische Facette: Der Dichter Johann Christian Reinhart. Dieter Richter hat neben zahlreichen anderen Quellen nicht nur Reinharts nachgelassenen Briefwechsel herangezogen, sondern auch aus deutschen und italienischen Archiven weitgehend unbekannte Materialien zutage gefördert. Johann Christian Reinhart war nicht nur ein großer Maler, sondern auch ein talentierter Dichter. Die z.T. erstmals aus den Handschriften edierten Gedichte zeigen ihn als formbewußten Lyriker und streitbaren philosophischen Epigrammatiker.
Autorenportrait
Dieter Richter, geboren 1938 in Hof, war bis 2004 Professor für Kritische Literaturgeschichte an der Universität Bremen und ist Autor zahlreicher, in Deutschland und Italien erschienener Bücher zur europäischen Kulturgeschichte. Er lebt in Bremen und ist Ehrenbürger von Amalfi. Für sein Buch 'Der Süden. Geschichte einer Himmelsrichtung' erhielt er den NDR Kultur Sachbuchpreis 2009.
Leseprobe
Wer heute auf den Spuren von Johann Christian Reinhart durch Rom, Reinharts Wahlheimat, wandert, wird seine Schritte zunächst zum 'Caffé Greco' in der Via Condotti lenken. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde es von einem Griechen gegründet (daher der Name), in einem Viertel, das sich in jener Zeit zum Zentrum des europäischen Fremdenverkehrs in der Ewigen Stadt entwickelte. Hier lagen, im Umkreis von weniger als einem Kilometer, die diplomatischen Vertretungen Spaniens und Frankreichs, die letztere mit der 1666 durch Ludwig XIV. gegründeten Académie de France auch Mittelpunkt der französischen Kunstwelt. Und hier lagen die meisten Hotels. [.] Auf der anderen Straßenseite, in der Via Condotti 9/10 lag die von Fremden als Speiselokal frequentierte 'Trattoria del Lepre', die 'Hasenwirtschaft' und, ebenfalls in der Via Condotti, das 'Hotel d' Alemagne', das besonders bei deutschen Reisenden beliebt war, nicht zuletzt deshalb, weil der Wirt, Franz Roesler, deutsch und ohne Verwendung von Olivenöl kochte. Das 'Greco' entwickelte sich auf diese Weise zu einem beliebten Künstlertreffpunkt. Unter dieser Postadresse war auch Herr Maler Reinhart aus Hof zu erreichen. [.] Es war ein weiter Weg, den Johann Christian Reinhart zurückzulegen hatte, um aus dem kleinen 'Hof in Oberfranken' (wie die königliche Grabinschrift sagt) in der Hauptstadt der Welt, dem Zentrum der europäischen Kunst anzukommen. 'Richter in London! Was wär er geworden!', heißt es in einem der Xenien von Goethe/Schiller boshaft über den reisefaulen Jean Paul, der Deutschland nie verlassen hatte: Was hätte aus ihm werden können, wenn er sein Talent in einer europäischen Weltstadt wie London gebildet hätte. Dem entsprechend ließe sich fragen: 'Reinhart in Hof! Was wär er geblieben!' Eine müßige Frage, ebenso wie im Falle des Dichters Jean Paul. Reinharts Weg führte nach Italien, 'es ist mein Vaterland geworden' wird er über Rom bereits acht Jahre nach seiner Ankunft an den Bruder Amandus schreiben. Aber seine Wurzeln liegen nicht am Tiber, sondern an der Saale. Johann Christian Reinhart wurde am 24. Januar 1761, 'abends gegen 5 Uhr', wie es das Kirchenbuch präzise festhält, in Hof an der Saale geboren. Sein Vater, Magister Peter Johann Reinhart (Hof 1717 - ebd. 1764), war 'Lorenzprediger' bei St. Michaelis, die Familie lebte in einer Predigerwohnung im 'Orlaviertel', unmittelbar an der alten Stadtmauer mit Blick zur Saale. Auch Vater und Großvater stammten aus der kleinen fränkischen Stadt, die Familie betrieb über Generationen das Handwerk der 'Schieferdecker'; von 1699 bis 1865 sind Angehörige der Familie in diesem Metier bezeugt. Die Mutter hingegen, Magdalena Wilhelmina Friederica Müllner (Hof 1730 - ebd. 1784), entstammte einer Familienlinie von 'studierten Leuten' (wie man im Fränkischen sagte): Juristen und Beamte in markgräflich-brandenburgischen oder sächsischen Diensten.