Beschreibung
Wie beschützt man eine Frau, deren Beruf es ist, ihren Schutzengel herauszufordern? FBI-Agent Dave Richman soll ein Auge auf Polizeipsychologin Kate O'Malley haben, die noch jedes Geiseldrama entschärft hat. Als Kates Welt ins Schlingern gerät, ist er an ihrer Seite. Sie ist viel mehr als nur ein Schutzobjekt in seinen Augen ...
Autorenportrait
Seit 1996 hat sich Dee Henderson mit nur zwei Romanserien in die Spitze der christlichen Schriftsteller in den USA geschrieben. Dem Erfolg entsprechend hat die Tochter eines Pfarrers ihren Beruf als Finanzbeamtin an den Nagel gehängt und lebt als Schriftstellerin bei Chicago.
Leseprobe
Kapitel 1 Kate O'Malley war schon seit dem frühen Morgen im "Kerker". Die Mitarbeiter des Krisenteams, das aus einer Eliteeinheit und Rettungskräften für Geiselnahmen bestand, waren bei der letzten Umstrukturierung in den Keller der Bezirksbehörde verbannt worden. Die Metallschreibtische standen eng zusammengepfercht, die Betonwände brauchten dringend neue Farbe, die Karteikästen mit den abgeschlossenen Fällen verbreiteten einen muffigen Geruch. An der Decke gluckerten die Wasserleitungen, die aus dem großen Zentralboiler kamen. Das Team war stolz auf sein armseliges Quartier, auch wenn Zimmerpflanzen es dort nur wenige Tage aushielten, denn hier wurde alles ein bisschen lockerer gehandhabt. Den einzigen Hinweis auf eine bürokratische Ordnung lieferte eine Stechuhr an der Stahltür, damit die Mitarbeiter, die nicht fest angestellt waren, ihre Überstunden abrechnen konnten. Obwohl die Sohlen ihrer Tennisschuhe nicht gerade sauber waren, hatte Kate die Füße auf die Ecke ihres Schreibtischs gelegt. Mit aneinandergelegten Fingerspitzen und halb geschlossenen Augen verfolgte sie konzentriert den Klang ihrer eigenen Stimme aus den Kopfhörern. Dabei achtete sie sorgfältig darauf, ihren inneren Aufruhr nicht in ihren Gesichtszügen zu zeigen. Sie ging noch einmal die letzte ihrer Verhandlungskassetten durch. Der Fall 2214 von letzter Woche ließ ihr keine Ruhe. Sie war zu einer Szene häuslicher Gewalt gerufen worden. Es waren Schüsse gefallen. Sechs Stunden dauerte es, bis der Fall durch Verhandlungen ein friedliches Ende fand - sechs angsterfüllte Stunden für die Mutter und die drei Kinder, die im Haus festgehalten wurden. Wäre es möglich gewesen, diese Zeit zu verkürzen? Als Kate den Drohungen des betrunkenen Ehemannes und ihrer eigenen, ruhigen Stimme zuhörte, atmete sie automatisch tief durch, um ihren aufwallenden Zorn zu unterdrücken. Sie hasste solche Fälle, weil sie längst vergessen geglaubte Erinnerungen weckten. Die Kassette drehte sich automatisch auf die andere Seite. Sie nahm einen Schluck heißen Kaffee und verzog das Gesicht. Bestimmt hatte Graham dieses Gebräu gemacht. Sie hatte nichts gegen starken Kaffee, aber das war doch zu viel. Mit einem Ruck öffnete Kate die mittlere Schreibtischschublade. Zwischen Schokoriegeln und zwei großen Silbermedaillen, die sie für ihre Tapferkeit erhalten hatte, suchte sie nach Zuckertütchen. Mit ihren sechsunddreißig Jahren war Kate bei der Polizei bereits so etwas wie eine lebende Legende. Das fand sie zwar seltsam, aber sie konnte es nachvollziehen. Als Vermittlerin bei Geiselnahmen und Entführungen war sie bekannt wegen ihrer inneren Stärke und ihrer Bereitschaft, sich jeder Situation zu stellen. Häusliche Gewalt, verpfuschte Raubüberfälle, Geiselnahmen, sogar Flugzeugentführungen - sie hatte schon alles hinter sich. Kate hatte die seltene Begabung, die Leute das sehen zu lassen, was sie sehen wollten. Sie konnte mitten in einer Krisensituation verharren - stunden- oder auch tagelang - und um ein friedliches Ende feilschen. Dabei wirkte sie entspannt, distanziert und häufig auch gelangweilt. Das funktionierte gut. Ihre scheinbare Langeweile in einer Krise hielt die Menschen am Leben. Mit den Gefühlen musste sie später fertigwerden, wenn alles vorbei war - weit weg von der Arbeit. Häufig spielte sie Basketball, denn dabei konnte sie sich voll konzen-trieren und ihre innere Anspannung abbauen. Sie hatte die Kassetten jetzt zum vierten Mal durchgehört. Ihre Notizen über den Fall schienen vollständig zu sein. Es gab nichts, was sie hätte anders machen können. Sie stoppte den Rücklauf des Kassettenrekorders und war erleichtert, dass sie mit ihrer Überprüfung fertig war. Sie nahm den Kopfhörer ab und fuhr sich mit der Hand durch ihr zerzaustes Haar. "O'Malley." Sie drehte sich um und sah, wie Graham den Telefonhörer hochhielt. "Ihr Bruder auf Leitung drei." "Welcher ist es denn?" "Der Sanitäter." Sie drückte die blinkende Taste. "Hallo, Stephen." "Darf ich raten? Du filterst deine