Beschreibung
Immer noch quillt die Geschichte über von Männern mit historischen Verdiensten, während sich nur alle paar Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte eine Hatschepsut, eine Theophanu, eine Florence Nightingale, eine Lou Andreas-Salomé über den Horizont der Normalität erhebt. Doch vieles ändert sich. Und bald wird unsere Welt in gleichem Maße von Frauen geprägt sein. Die hier vorgestellten Ausnahmefrauen, die es aufgrund besonders günstiger Umstände oder übermenschlicher Kraftanstrengungen doch geschafft haben, mehr aus sich zu machen, geben eindrucksvoll Kunde von weiblichen Möglichkeiten. In persönlichen und lebhaften Berichten erzählt die Autorin von originären Heldinnen, Revolutionärinnen und Künstlerinnen, von Besessenen, Begnadeten und von mächtigen Frauen. Die Porträts vereinen Kämpferinnen für die Frauenrechte wie Emily Davis, Herrscherinnen wie Königin Elisabeth I. von England, Geschäftsfrauen wie Coco Chanel und Helena Rubinstein, Größen aus der Kunst- und Musikszene wie Peggy Guggenheim, Ella Fitzgerald und Isadora Duncan und viele andere.
Autorenportrait
Barbara Sichtermann ist Schrifstellerin und Journalistin. Nach dem Abitur erfolgte der Besuch einer Schauspielschule in Bochum. Theaterpraxis im Ruhrgebiet 1965 bis 1968, danach Aufnahme eines Studiums der Sozialwissenschaften an der FU Berlin. Diplom in Volkswirtschaftslehre, Tätigkeit als freie Autorin seit 1978, Themen: Frauenpolitik, Leben mit Kindern, Geschlechterbeziehungen, Literatur, Medien. Von 1987 bis 2002 Fernsehkritikerin mit wöchentlicher Kolumne bei der ZEIT, zahlreiche Auszeichnungen. Barbara Sichtermann lebt heute in Berlin. Im S. Marix Verlag ist von ihr zuletzt erschienen: Die Weltenretterinnen. Es geht ums Ganze, 2021.
Leseprobe
Vorwort In den Berichten, Porträts und Biographien über Frauen, die eine Spur in der Geschichte hinterlassen haben, heißt es gern: Sie war eine 'außergewöhnliche' Frau. Von einem berühmten Mann, dessen Name in den Lexika steht, würde man kaum sagen, er sei außergewöhnlich. Denn: Ist SO ein Lob nicht im Grunde recht mager? 'Außergewöhnlich' könnte man auch eine Verbrecherin nennen für die man übrigens Jeanne d'Arc zu ihrer Zeit (seitens der Kirche) gehalten hat, auch Eleonore von Aquitanien, Louise Aston und Anita Augspurg wurden verschiedener Vergehen bezichtigt. Aber eigentlich denkt, wer eine Frau verehrungsvoll 'außergewöhnlich' nennt, nicht an eine Gesetzesbrecherin. Und dennoch besagt das Attribut noch nicht, dass eine Frau durch Großtaten hervortrat, denn 'außergewöhnlich' ist völlig unspezifisch. Es heißt eigentlich nichts anderes, als dass man Frauen im Allgemeinen als ziemlich gewöhnliche Wesen betrachtet, die eben gerade nicht hervorragen. Frauen gelten auch heute noch in aller Regel als angepasster, durchschnittlicher, mittelmäßiger und rundum normaler als Männer, als Wesen, die seltener aus der Reihe tanzen, im Guten wie im Bösen. Und die Geschichte der Menschheit hat das Ihre dazu beigetragen, nur wenigen Frauen eine außergewöhnliche Rolle zuzugestehen. Deshalb ist es auch möglich, ein Buch herauszugeben, das einundvierzig herausragende Frauen vorstellt, von der Antike bis heute. Man könnte gewiss noch zwei oder vielleicht sogar drei Folgebände mit weiteren weiblichen Größen füllen. Aber dann würde es auch schon dünn. Undenkbar, ein Buch über einundvierzig hochwichtige Männer zu schreiben und dabei auch noch einen Zeitraum von nahezu drei Jahrtausenden zu berücksichtigen. Die Grundgesamtheit wäre einfach zu groß. Und die Auswahl trüge den Stempel einer problematischen Willkür. Das ist zwar bei diesem Frauenbuch auch der Fall aber die Beliebigkeit ist doch nicht annähernd so krass, wie sie es bei einem Männerbuch wäre. Die Buchladenkundin würde den Kopf schütteln. Drei Dutzend tolle Männer? Was denn für welche? Politiker, Erfinder, Schriftsteller, Philosophen, Feldherren? So ein Männerbuch ist denn auch nicht geplant. Dass ein Frauenbuch keine derartigen Probleme macht, heißt zugleich, dass Ruhm, Glanz, außerordentliches Verdienst, epochale Leistung, geniales Werk nur ausnahmsweise Frauensache waren. Die Ausnahmen lassen sich sammeln und darstellen ja, das ist lohnend. Aber man denkt beim Auswählen, Faktensammeln, Interpretieren und Schreiben zugleich ständig über diese enorme Asymmetrie nach: Warum bloß quillt die Geschichte über von Männern mit historischen Verdiensten, während sich nur alle paar Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte eine Theophanu, eine Florence Nightingale, eine Bertha von Suttner, eine Simone de Beauvoir über den Horizont der Normalität erhebt? Wo wir doch heute wissen, dass Intelligenz und Begabung bei beiden Geschlechtern in der Summe gleich vorhanden und höchstens in ihrer Besonderheit verschieden verteilt sind? Die Antwort ist einfach. It's a man's, man's, man's world. Immer noch. Vieles ändert sich. Bald wird unsere Welt auch von Frauen geprägt sein. Aber das war sie in der Vergangenheit nicht. Die Muster, Leitbilder, vorgezeichneten Lebensläufe, welche die Kinder vorfanden, wenn sie anfingen, Wünsche und Pläne für ihre eigene Zukunft zu entwickeln, wiesen den Jünglingen den Weg nach draußen, auf dem Lorbeeren zu erringen waren, den Mädchen aber den Weg nach drinnen, ins Reich der Gewöhnlichkeit. Und diese Anweisungen waren sehr ernst gemeint, wurden gestützt von den höchsten Autoritäten, von Eltern, Lehrern, Priestern, Staatslenkern. Es hätte übermenschliche Anstrengungen gekostet, sich gegen sie zu stemmen. Die Frauen wären genötigt gewesen, außergewöhnliche Schritte zu gehen, um hervorzuragen. Und das war den meisten einfach nicht möglich.