Beschreibung
Mit Anna Karenina schuf Lew Tolstoi eine der berühmtesten Frauengestalten der Weltliteratur. Ihr radikales Bekenntnis zu sich selbst und ihrer leidenschaftlichen Liebe beschert ihr Momente rauschhaften Glücks. Doch die Hoffnung, sich dauerhaft aus gesellschaftlichen Zwängen befreien zu können, erweist sich als fatale Illusion. Nicht nur die tragische Heldin, auch die sie umgebenden Menschen gestaltet der Autor in einzigartiger Lebendigkeit. Ohne zu werten, macht der Roman unterschiedlichste Lebensentwürfe im Spannungsfeld zwischen individuell Ersehntem und gesellschaftlich Möglichem sichtbar. Besonders eindrucksvoll geschieht dies in der Gestalt des grüblerischen Gutsbesitzer Lewin, der zweiten Hauptfigur des Romans, dem der Autor unverkennbar Züge seiner selbst verlieh. Ob im Glanz der Petersburger Adelskreise oder im Arbeitsalltag der Bauern, Tolstoi schildert die Figuren dieses großen Gesellschaftspanoramas mit einer Meisterschaft, die sein Zeitgenosse Dostojewski als 'etwas Vollkommenes' würdigte - und damit das Urteil von Generationen von Lesern vorwegnahm.
Autorenportrait
Lew Nikolajewitsch Tolstoi (1828-1910) entstammte einem alten russischen Adelsgeschlecht. Er wurde auf dem väterlichen Gut Jasnaja Poljana geboren und wuchs nach dem frühen Tod beider Eltern in der Obhut einer Tante auf. 1851-1856 leistete er seinen Militärdienst im Kaukasus ab. Sein Erstlingswerk, eine autobiographische Skizze, wurde 1852 veröffentlicht und hatte bereits großen Erfolg. Nach ausgedehnten Reisen durch Europa heiratete er 1862 die sechzehn Jahre jüngere Sofja Andrejewna Behrs. Das Paar zog sich nach Jasnaja Poljana zurück, wo Tolstoi seine großen Werke schrieb, die ihn weltberühmt machten: «Krieg und Frieden» (1864-1869) und «Anna Karenina» (1873-1876). In den 1880er Jahren wandte Tolstoi sich rigoros christlichem Denken und Handeln zu. Alle Kunst, die nicht moralischen Zwecken diente, lehnte er fortan ab. Der Eindruck des Elends des Moskauer Großstadtproletariats veranlasste ihn zur Konzeption einer sozialrevolutionären Lehre, die ihm die Bewunderung seiner Zeitgenossen bis hin zu Mahatma Gandhi eintrug, die aber zu einem Konflikt mit der Kirche führte. Auch in seine Familie reichte der Konflikt hinein: Die letzten Jahre seiner Ehe bis zu seinem Tod waren von Meinungsverschiedenheiten über die richtige Lebensweise und nicht zuletzt über Geldangelegenheiten überschattet. Lew Tolstoi starb am 20. November 1910 in der Bahnstation Astapowo, nachdem er seine Familie verlassen hatte.