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Brief an Sally

Roman

Erschienen am 26.07.2010
Auch erhältlich als:
17,95 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783630873282
Sprache: Deutsch
Umfang: 223 S.
Format (T/L/B): 2.2 x 22 x 14.3 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Wenn die Erinnerung das Einzige ist, was von einem Leben bleibt. Ein herzzerreißender und dennoch vollkommen unsentimentaler Roman über das Altern, die Erinnerung und die wichtigen Dinge im Leben - vom Autor der gefeierten Romane 'Ein unauffälliger Mann' und 'Eine zufällige Begegnung'. Naomi Marshall, eine alte, einsame Frau, sitzt meist in ihrer Londoner Wohnung am Fenster. Der Blick auf Gärten und Nachbarn, der Besuch von Pflegern und Essen auf Rädern sind ihre einzige Verbindung zum Leben, bis sich plötzlich eine neue Nachbarin bei ihr vorstellt und sie regelmäßig besucht. Sally ist jung, voller Begeisterung und Neugier, sie erzählt von ihrer Familie auf dem Land, von Freunden, von ihrem Job. Staunend betrachtet sie die vielen Bücher in der Wohnung der alten Frau, möchte mehr über Naomis Leben erfahren. Diese sagt jedoch nur: 'Ich war mal in Afrika', weil sie die junge Frau nicht mit ihren Erinnerungen belasten will. Eines Tages zieht Sally wieder weg, und Naomi vermisst sie schmerzlich. Sally zuliebe taucht sie in ihre Vergangenheit ein, ordnet ihre Notizen über ihre Zeit in Afrika. Als Anthropologin war sie dort, begleitete ihren Mann, der in der Kolonialstation arbeitete. Zwei der wichtigsten Menschen ihres Lebens hat Naomi in Afrika verloren, ihren Mann und eine junge Afrikanerin, deren Schicksal ihr sehr naheging, und doch waren die Jahre in Afrika die glücklichste Zeit ihres Lebens. Ja, Naomi wird alles aufschreiben, und falls Sally sich noch einmal meldet, will sie ihr die Geschichte geben.

Leseprobe

Ich habe sie jetzt schon lange nicht mehr gesehen. Noch vermisse ich ihre Besuche, aber immer weniger. Sie waren eine Abwechslung von den Damen mit dem Essen auf Rädern und den wöchentlichen Besuchen meiner Pflegerin. Es war, als erfände sie das Leben für mich neu, während sie von ihrer Familie und der Welt draußen plauderte, mit diesem Eifer, der ihr so zu eigen war und der mich daran erinnerte, wie ich früher vielleicht einmal hätte sein wollen, aber nie sein konnte. Nein, es stimmt nicht, dass ich sie weniger vermisse.
Ich sitze am Fenster meiner Wohnung und schaue in die Gärten hinaus, bis die Nacht hereinbricht. Auch dann ziehe ich die Vorhänge nicht zu, denn in den Fenstern gegenüber ist das Licht angesprungen, und dahinter geht die Welt noch weiter, als könnte die Dunkelheit nie vollständig sein. Auch jetzt im Winter ist noch Leben in den Gärten. Vor einem Monat sah ich ein Fuchspaar. Es gibt ein paar Katzen, hin und wieder ist Jaulen zu hören, und ich frage mich, ob es Sex oder Zorn ist. Im Sommer gibt es viel zu sehen, die Arbeiten in den Gärten, spielende Kinder, Erwachsene, die mit Tee oder Drinks herumsitzen. Ich kann nie richtig verstehen, was die Leute reden. Manchmal werden Stimmen erhoben - ein plötzlicher Schrei, dessen Grund ich nie erfahren werde.
Hier in meinem Winkel der Welt erhasche ich Augenblicksaufnahmen von Lebensläufen, über die ich nichts weiß. Vielleicht sehen sie mich, wie ich am Fenster sitze und hinausstarre. Einmal habe ich die Hand gehoben, um einen Mann zu grüßen, der drei Gärten weiter den Rasen mähte. Er reagierte nicht. Vielleicht dachte er, die ist immer da, diese bekloppte alte Schachtel, starrt aus dem Fenster, traurig. Vielleicht war ihm gar nicht bewusst, dass ich die Hand zu ihm hob, und er dachte einfach, ich würde nur die Vorhänge zurechtziehen. Vielleicht dachte er, ich sei so gut wie blind und könne ihn gar nicht sehen, hätte mein Leben lang nur in eine verschwommene Leere gestarrt. Vielleicht dachte er aber auch nicht, dass ein Leben wie meins traurig ist. Vielleicht hatte er ganz andere Sachen im Kopf, und der Schrei, den ich gehört habe, ist von ihm gekommen. Er hat eine Familie. Mehr als genug, worüber er sich den ganzen Tag und einen Großteil der Nacht Sorgen machen muss, seine persönliche Traurigkeit. Er hat Besseres zu tun, als einer uralt aussehenden Frau zuzuwinken. Klingt das defätistisch oder selbstmitleidig? Das ist es nicht. Ich sehe einfach dem Leben zu, den Freizeitbeschäftigungen, und was ich darüber weiß, ist nur geraten.
Die Leute in der Souterrainwohnung unter mir benutzen den Garten ebenfalls, auch wenn das kaum das richtige Wort dafür ist, Löwenzahn und anderes Unkraut, die den Rasen überwuchern, ein paar ungepflegte Sträucher und ein halbtoter Apfelbaum. Sie sind vor etwa zwei Jahren eingezogen, ein älteres Paar, wahrscheinlich im Ruhestand. Sie sitzen auf der Terrasse unter meinem Fenster, bis jetzt noch nie mit irgendeinem Besuch. Zwei Jahre, und ich bin ihnen nur ein einziges Mal begegnet. In was für einer merkwürdigen Welt leben wir doch! Ungefähr zwei Monate nach ihrem Einzug klopften sie und klopften immer weiter, bis ich ihnen öffnen konnte. Erstaunt schauten sie an mir vorbei zu den Büchern, als wären sie auf etwas Schockierendes gestoßen, eine Orgie oder dergleichen. Erst dachte ich, sie wären gekommen, um sich vorzustellen, aber sie waren hier, um sich über die Lacksplitter zu beschweren, die von meinem Fensterbrett auf ihre Türstufen und den Fußabstreifer gefallen waren. Ob ich mir vielleicht überlegte, einen Maler zu rufen? Ich sagte, nein, das hätte ich nicht vor. Ich sagte nicht einmal, dass es mir leid tue. Ich hätte nicht so reagieren dürfen. Der unwillkürliche Ausdruck des Unmuts auf meinem Gesicht hat sicher auch nicht gerade geholfen. Kein Wunder, dass sie seitdem nicht mehr mit mir gesprochen haben. Bin ganz allein selbst dran schuld und so weiter. Ich kann jetzt noch sehen, wie sie nebeneinander vor mein ...

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