Beschreibung
Die Bestseller von Sabine Bode jetzt als lesefreundliche Geschenkausgaben Noch nie hat es in Deutschland eine Generation gegeben, der es so gut ging wie den heute 60- bis 75jährigen. Doch man weiß wenig über sie, man redet nicht über sie - eine unauffällige Generation. Jetzt beginnen sie zu reden, nach langen Jahren des Schweigens. Die Kriegskindergeneration ist im Ruhestand, die eigenen Kinder sind längst aus dem Haus. Bei vielen kommen jetzt die Erinnerungen allmählich hervor und mit ihnen auch Ängste, manchmal sogar die unverarbeiteten Kriegserlebnisse. Sie wollen nun über sich selbst nachdenken und sprechen. Der Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter spricht von einer 'verschwiegenen, unentdeckten Welt'. Mit den Holocaust-Opfern habe man sich eingehend beschäftigt, mit der Kriegskindergeneration nie. Ihnen wurde gesagt: 'Sei froh, daß du überhaupt überlebt hast. Vergiß alles und schau lieber nach vorne!' Sie haben den Bombenkrieg miterlebt oder die Vertreibung, ihre Väter waren im Feld, in Gefangenschaft oder sind gefallen. Diese Erinnerungen haben sie bislang in sich verschlossen gehalten, sie trösteten sich mit der Einstellung: 'Andere haben es noch viel schlimmer gehabt als wir.' So wurde eine ganze Generation geprägt: Man funktionierte, baute auf, fragte wenig, jammerte nie, wollte vom Krieg nichts hören - und man konnte kein Brot wegwerfen.
Autorenportrait
Sabine Bode, Jahrgang 1947, begann als Redakteurin beim 'Kölner Stadt-Anzeiger'. Seit 1978 arbeitet sie freiberuflich als Journalistin und Buchautorin und lebt in Köln. Sie ist eine renommierte Expertin auf dem Gebiet seelischer Kriegsfolgen. Ihre Sachbücher 'Die vergessene Generation', 'Kriegsenkel', 'Nachkriegskinder' und 'Kriegsspuren' sind Bestseller und wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Prof. Dr. med. Luise Reddemann ist Nervenärztin, Psychoanalytikerin und Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin. Seit gut 50 Jahren beschäftigt sie sich intensiv mit Trauma und Traumafolgestörungen. Von 1985 bis 2003 war sie Leiterin der Klinik für Psychotherapie und psychosomatische Medizin des Ev. Johannes-Krankenhauses in Bielefeld und entwickelte dort ein Konzept zur Behandlung von Menschen mit komplexen Traumafolgestörungen, die 'Psychodynamisch imaginative Traumatherapie' (PITT). Luise Reddemann führt zahlreiche Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen durch. Im Rahmen ihrer Honorarprofessur an der Universität Klagenfurt für medizinische Psychologie und Psychotraumatologie widmet sie sich den Arbeitsschwerpunkten Resilienz sowie Folgen von kollektiven Traumatisierungen. Luise Reddemann war Mitglied im Weiterbildungsausschuss der Deutschen Akademie für Psychotraumatologie, im Wissenschaftlichen Beirat der Lindauer Psychotherapiewochen und in der wissenschaftlichen Leitung der Psychotherapietage NRW. Luise Reddemanns Bücher und CDs im Verlag Klett-Cotta haben auch bei Betroffenen weite Verbreitung gefunden und vielen Menschen geholfen, mit einer traumatischen Erfahrung besser fertig zu werden. Weitere Informationen zu Luise Reddemann finden Sie unter: www.luise-reddemann.de
Leseprobe
Einführung Er habe zu lange geschwiegen, befand der Schriftsteller Günter Grass und lenkte in seiner Novelle "Im Krebsgang" die Aufmerksamkeit auf die deutschen Opfer von Krieg und Vertreibung. Ein Zitat macht die Hintergründe seiner Sinneswandlung deutlich: Niemals, sagt er, hätte man über so viel Leid, nur weil die eigene Schuld übermächtig und bekennende Reue in all den Jahren vordringlich gewesen sei, schweigen, das gemiedene Thema denen rechts überlassen dürfen. Dieses Versäumnis sei bodenlos. Anfang 2002 widmete "Der Spiegel" dem Grass-Buch und vor allem der Vertreibung eine Titelgeschichte. Darin stand - was dem Tenor in fast allen großen Zeitungen entsprach -, daß über die Folgen der Nazizeit noch einmal gründlich nachgedacht werden müsse. Für mich war dies der Wendepunkt. Ich wußte: Jetzt ändert sich etwas. Jetzt kommt auch das Thema "deutsche Kriegskinder" endlich an die Öffentlichkeit. Es gibt also ein Vorher und ein Nachher bei meiner journalistischen Arbeit über die Kindergeneration. Seit dem Bosnien-Krieg in den neunziger Jahren, als im Fernsehen dem Leid der Kinder viel Zeit gewidmet wurde und gerade die Deutschen zu den großzügigsten Spendern zählten, beschäftigt mich die Frage: "Wie geht es eigentlich den deutschen Kriegskindern heute?" Seitdem habe ich keine Gelegenheit ausgelassen, Angehörige dieser Generation danach zu fragen. In den ersten Jahre verlief meine Spurensuche zäh. Die meisten Angesprochenen wehrten das Thema ab mit Sätzen wie "Andere haben es viel schlimmer gehabt" oder "Es hat uns nicht geschadet". So gut wie nie hörte ich jemanden über sein Schicksal klagen, und bis heute habe ich den Eindruck, daß entgegen der oft bei uns Deutschen festgestellten Neigung, sich als Opfer zu sehen, ausgerechnet die ehemaligen Kriegskinder in keiner Weise larmoyant sind. Ich fand sie in der Anfangszeit meiner Recherche vor allem einsilbig. Nur gelegentlich kam es zu längeren Gesprächen, und rückblickend kann ich meine Erfahrungen der ersten Jahre mit dem Satz zusammenfassen: Je mehr Menschen ich fragte, desto unklarer wurde das Bild. Nach meinen Interviews war ich oft ratlos, ich zweifelte an meiner Wahrnehmung und war körperlich sehr erschöpft. Wenn ich mit Freunden darüber sprach, hörte ich: "Was beschäftigst du dich auch mit so einem dunklen Thema." Aber daran allein konnte es nicht liegen. Ich habe Erfahrung mit schweren Themen - Nazizeit, Holocaust, psychische Erkrankungen, Kindstod - aber eine vergleichbar niederdrückende Stimmung und Konfusion hatte ich noch nicht erlebt. Die Verwirrung ging schon damit los, daß es eine ganze Weile dauerte, bis ich begriff, daß es sich bei den Jahrgängen von 1930 bis 1945 in Wahrheit um mehrere Generationen handelt. Denn es macht einen großen Unterschied, in welchem Alter ein Kind diesem Krieg ausgeliefert war: ob als Säugling, als Kleinkind, oder ob vor oder nach der Pubertät. Natürlich hätte ich auch eine andere Zeitspanne wählen können, zum Beispiel von 1928 bis 1950, aber ich entschied mich, vor allem um die Arbeit halbwegs überschaubar zu halten, für jene fünfzehn Jahrgänge, beginnend mit der Flakhelfergeneration, und am Ende jene Kinder, die auf der Flucht geboren wurden. Gerade diese Eckpunkte machen noch einmal deutlich, daß es nicht um eine, sondern um mehrere Generationen geht. Und dennoch gibt es viele Ähnlichkeiten in den Aussagen über die Kriegszeit und die schweren Jahre danach. Zum Beispiel der Satz: Es war nie langweilig. Und: Was wir damals erlebt haben, war für uns normal. Soll heißen: Wir haben das, was der Krieg mit sich brachte, als normal empfunden, zumal es ja allen Familien ringsum genauso ging, und wir haben uns in unserem Alltag so wenig wie möglich vom Krieg stören lassen. Nun ist ja bekannt, daß kleine Kinder auch extreme Lebensumstände hinnehmen, wie sie sind. Romanautoren haben sich davon immer wieder inspirieren lassen, daß solche Prägungen ihre eigene Dynamik entwickeln. Ein Kind, das in einem Bordell aufwächst, wird das als völlig normal empfinden, bis es mit den Normen der Außenwelt in Kontakt kommt. Wenn dann aus dem Kind ein reflektierender Erwachsener geworden ist, wird der ein Bewußtsein davon entwickeln, welche Spuren eine als normal empfundene Kindheit bei ihm hinterlassen hat. Bei meinen Gesprächspartnern war das in der Regel anders. Die meisten lehnten es ab, sich mit der Frage zu befassen, wie sich der Krieg auf ihr weiteres Leben ausgewirkt haben könnte. Sie wollten von ihren Kindheitserinnerungen erzählen, die sie gern mit dem Satz einleiteten: "Wir haben in dieser Zeit auch viel Schönes erlebt." Selbst im nachhinein fehlte der Mehrzahl der Betroffenen das angemessene Gefühl für das, was sie an Schrecken erfahren hatte. Daß das Haus der Lieblingstante, in dem man so viel Schönes erlebt hatte, von Bomben komplett zerstört worden war, das erwähnte ein Mann nur beiläufig; bei mir kam es so an wie: nichts Besonderes, sowas hat man eben weggesteckt. Sprach ich meine Interviewpartner darauf an, dann stellte sich heraus, daß sie auch das Festhalten an eigentlich unpassenden Gefühlen heute noch "ganz normal" fanden. Leseprobe
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