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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783552053915
Sprache: Deutsch
Umfang: 352 S.
Format (T/L/B): 2.9 x 21.1 x 13.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Eine Tiefgarage, ein Kellerabteil, ein alter Schrank. Darin zusammengekrümmt eine tote Frau in einem grünen Sommerkleid. Die Frau ist schnell identifiziert, doch wo ist ihre kleine Tochter? Und wer hat sie umgebracht? Ist es möglich, dass ein Mörder gemordet hat, um das Kind des Opfers zu retten? Für den Münchner Kommissar Polonius Fischer gibt es keine Routine. Nicht erst seit er seine Mönchskutte abgelegt hat, zählt für ihn vor allem eines: das Rätsel des Bösen. Friedrich Anis Roman erzählt die Suche nach den Gründen eines Verbrechens als Suche nach den dunkelsten Kräften des menschlichen Handelns.

Autorenportrait

Online-Special

Leseprobe

Bevor er, reglos im Türrahmen stehend, mit seinem Rundblick begann, die Hände in den Hosentaschen, um Fingerabdrücke zu vermeiden, scheinbar unberührt vom Chaos der Gegenstände und dem Anblick eines Toten, konzentrierte er sich auf Geräusche und Gerüche und auf nichts sonst. Dabei ertrug er die Ausdünstungen eines Leichnams ebenso gleichmütig wie das Gemurmel seiner Kollegen. Ein Geruch, ein Ge räusch oder die Stille waren für ihn die einzigen unbestechlichen Zeugen einer Gegenwart, die er noch wahrnehmen, deren völlige Auflösung er aber nicht verhindern konnte. Die Erzählung des Tatorts erschien Polonius Fischer immer wie eine Art pragmatischer Lüge. Das ärgerte ihn. Nicht das ursprüngliche Leben, worauf sein Vorgesetzter und die meisten seiner Kollegen ihre ersten Analysen gründeten, lag mitsamt seinen geheimen Zeichen und Botschaften vor ihm, sondern die neue, klinisch saubere Wirklichkeit des Todes. Die Dinge starrten ihn ebenso kalt an wie die erloschenen Augen des Opfers. Wenn er Hauptkommissar im Kommissariat 111, zuständig für vorsätzliche Tötungs und Todesfolgendelikte und gefährliche Körperverletzung mit Schußwaffe an einem bestimmten Ort auftauchte, hatte alles, was bisher dort gewesen war, zu sein aufgehört. Polonius Fischer weigerte sich, einem Tatort zu glauben. Er glaubte nicht an einen magischen Realismus, in dem das Profil des Täters zu erkennen sei; er glaubte nicht an ein Profil. Von den Mördern und Totschlägern, die er in den vierzehn Jahren bei der Mordkommission vernommen und überführt hatte, entsprach kein einziger einem vorher angefertigten Profil. Nach Fischers Meinung mangelte es ihnen überhaupt daran: Durchschnittlich bis zur Unkenntlichkeit, hatten die Täter ihren Alltag durchpflügt, bis ihnen jemand in die Quere kam und in ihren mickrigen Furchen herumtrampelte; dann schlugen oder stachen sie zu oder benutzten eine Schußwaffe, und wenn man sie fragte, warum, starrten sie an die Decke wie ein Toter oder stammelten Zeug. Motive waren beweis- und belegbar, und nach dem Abschluß der Ermittlungen übergab Fischer der Staatsanwaltschaft eine Akte, deren fundierte Aussagen zwangsläufig zu einer Anklageerhebung führten. Fischer nahm sich Zeit. Gemäß einer Anordnung von Silvester Weningstedt, dem Leiter der Mordkommission, mußte jeder Ermittler zehn Minuten allein und stumm am Tatort verweilen, sich Notizen machen oder nur schauen; später, im Bü ro, verglichen sie ihre Beobachtungen und erstellten gemeinsam einen Tatortsbefundbericht. Manchmal mußte Polonius Fischer den Rücken krümmen, den Hut abnehmen und den Kopf einziehen, damit er unter einen Türstock paßte; der Kommissar war einen Meter zweiundneunzig groß. Diesmal brauchte er sich nicht zu bücken. Der Raum vor ihm war mehr als zwei Meter hoch und fensterlos, umgeben von drei Betonwänden und einem Gitter aus zwei aufklapp baren Metalltüren. Die Fläche diente als Stellplatz in einer für etwa dreihundert Fahrzeuge angelegten Tiefgarage. »Schick dich, P-F!« rief jemand hinter ihm. In der linken Ecke des Stellplatzes waren drei Autoreifen in schmutziggrauen Plastikhüllen gestapelt, daneben standen ein altes Regal und ein Schrank aus hellem, dünnem Holz, an der rechten Wand ein weißer Farbeimer, ein Besen und eine hüfthohe Steinamphore; an der linken Wand lehnten ein Paar Skier und zwei Stöcke. Ein von den Kriminalisten der Spurensicherung aufgestellter Halogenscheinwerfer erhellte jeden Zentimeter des Raums, in dessen Mitte eine unbekleidete tote Frau unter einer Kunststoffplane lag. Bis vor einer Stunde hatte sie ein grünes Sommerkleid, eine dunkelblaue Jeansjacke und Sandaletten getragen, dann hatten die Ermittler die Leiche behutsam aus dem Schrank gehoben, eine Decke ausgebreitet, die Tote auf den Boden gelegt und unter Aufsicht des Gerichtsmediziners entkleidet. Und auf dessen Augenscheinbericht warteten die Fahnder ungeduldig. »Kannst du bitte endlich kommen?« rief Weningstedt, der auf einem Stuhl hinter dem wackligen Campingtis Leseprobe

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