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Das Haus der verlorenen Wünsche

Roman

Erschienen am 10.12.2013
11,00 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783492303965
Sprache: Deutsch
Umfang: 512 S.
Format (T/L/B): 3.2 x 19 x 12 cm
Einband: kartoniertes Buch

Autorenportrait

Mia Löw hat Jura und Germanistik studiert und als Anwältin und Regieassistentin am Theater gearbeitet. Heute schreibt sie (unter anderem unter Pseudonym) erfolgreiche Neuseelandsagas, Familiengeheimnis- und Liebesromane. Sie lebt mit ihrer Familie und Hund in Hamburg.

Leseprobe

Dornie, November 1916 Ein jämmerliches Wimmern drang an das Ohr der halb nackten jungen Frau, die über den Kieselstrand rannte, als wäre der Teufel hinter ihr her. Ihr Äußeres ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass ihr schreckliches Leid widerfahren war. Ihre Haut war aschfahl, ihre Beine blutverschmiert, und das strähnige Haar hing ihr wirr ins Gesicht. Sie blieb kurz stehen und lauschte, weil sie dieses vertraute Geräusch vernommen hatte, das sofort wieder verstummt war. Oder hatte sie es sich nur eingebildet? Nach alledem, was sie durchgemacht hatte, wäre es kein Wunder wenn sie einen Säugling weinen hörte, wo gar keiner sein konnte. War es nur das Heulen des Windes gewesen? Schließlich fegte ein heftiger Sturm von Westen mit aller Kraft in die Bucht. Das Wasser des Loch Duich war aufgewühlt, und die Schaumkronen führten wilde Tänze auf. Ein eiskalter Schauer durchfuhr die junge Frau, denn sie war barfuß und nur mit einem Nachthemd bekleidet aus dem Haus der Hebamme geflüchtet. Erst hatte sie gar nicht gespürt, dass der Wind ihre nackten Arme und Beine streifte, doch inzwischen klapperten ihre Zähne vor Kälte unkontrolliert aufeinander. Sie wollte hastig weitereilen - da war es mit einem Mal wieder. Sie hielt den Atem an und lauschte. Vorsichtig näherte sie sich dem Gebüsch. Nun schwoll das Wimmern an. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals. Das war keine Einbildung. Ganz in der Nähe schrie ein Baby. Genauso hatte das arme Geschöpf geklungen, das sie vor ein paar Stunden auf die Welt gebracht und das der Herr ihr gleich wieder genommen hatte. Das war die Strafe gewesen für die große Schuld, die sie auf sich geladen hatte. Sie umrundete das Buschwerk, und da sah sie ihn eingewickelt in ein Plaid auf dem Boden liegen: einen Säugling, der kaum älter als ein paar Stunden sein konnte. Er war viel zarter als das Kind, das sie geboren hatte. Diese Zartheit stand in krassem Gegensatz zu den weit aufgerissenen Augen des Säuglings, die fordernd in die Welt blickten. Eiskalter Zorn stieg in ihr auf. Warum lebte dieses Kind, während ihres hatte sterben müssen? Dennoch verspürte sie den Impuls, es hochzuheben, in den Arm zu nehmen und zu wärmen, aber ihre Wut verbot ihr diesen mütterlichen Reflex. Soll es doch verrecken, schoss es der jungen Frau durch den Kopf, während ihre Hand bereits nach dem kleinen Körper griff. Sie konnte gar nichts dagegen tun. Schon hatte sie das schreiende Bündel Mensch im Arm und sprach beruhigend auf das Kind ein. Pscht! Pscht. Nicht weinen! Ich bin doch da, mein Lieb! Sie war erstaunt, als das Baby tatsächlich verstummte. Zärtlich betrachtete sie das Gesicht des Kindes. Es ist ein Mädchen, ging ihr durch den Kopf, es muss ein Mädchen sein, so zart wie sie ist. Und sie hat eine uralte Seele. Man kann erkennen, wie sie als Greisin aussehen wird. Aus ihren Augen spricht Weisheit, jetzt, wo sie sich beruhigt hat. Auch wenn das kleine Gesichtchen zerknautscht ist, dieses Geschöpf besitzt wenigstens ein Gesicht, musste sie seufzend zugeben. Im Gegensatz zu ihrem Sohn! Ein erneuter eiskalter Schauer durchfuhr sie, während sie an den Albtraum dachte, den sie kurz zuvor erlitten hatte. Der Entsetzensschrei der Hebamme dröhnte noch immer in ihren Ohren. Nein, oh nein, hatte die kräftige Person, die bestimmt nicht leicht zu schockieren war, in einem fort geschrien. Und nach einer Pause, in der sie laut nach Luft geschnappt hatte, erneut: Nein, oh, nein! Dann hatte sie das Kind fluchend in eine Decke gewickelt. Der Säugling hatte laut gebrüllt, aber nur kurz. Nur einen einzigen herzzerreißenden Schrei. Danach war alles still gewesen. Die junge Mutter hatte das nicht begreifen wollen. Warum hatte die Hebamme dem Kind die Decke über den Kopf gezogen? Sie würde das Kind ersticken. 'Nicht!', rief sie flehend. 'Du bringst es doch um!' Die Hebamme warf ihr einen mitleidigen Blick zu und schüttelte den Kopf. Da stieg eine Ahnung in ihr auf, dass es womöglich . 'Halt, warte, ich will es sehen!', flehte sie unter Tränen. Aber

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