Leseprobe
Für Bobo Danke für den vielen Kaffee Die Brille stört mich von Anfang an. Sie ist regelrecht eigenwillig. Beim Proben in der Cumberland Street hat sie sich brav benommen, aber jetzt, im Wohnzimmer der Villa, ist sie schwer und unbequem. Sie zwickt mich in die Nase, und als ich den Kopf hebe, um das Landschaftsgemälde von Streeton an der Wand gegenüber zu betrachten, drückt sie sich so eng an mein Gesicht, dass meine Wimpern beim Blinzeln über das Glas streifen. Wenn ich den Kopf nachdenklich senke, rutscht sie herunter, ständig muss ich sie mit dem Mittelfinger wieder nach oben schieben. Dieses fahrige Brillengefuchtel ist kein gutes Zeichen. Früher habe ich dieselbe Brille ohne Probleme getragen. Vielleicht habe ich sie verbogen, sie in meiner Handtasche oder an der Armlehne zusammengedrückt, ohne es zu merken. Jedenfalls wirke ich durch das ständige Hantieren nervös. Dieses Gespräch ist wichtig. Es würde einen seltsamen Eindruck machen, wenn ich nicht nervös wäre. Schließlich erscheint Professor Carmichael in der Tür. 'Dr. Canfield?', fragt er, stellt sich vor und schüttelt mir die Hand. Ich folge ihm mit zwei Schritten Abstand den prachtvollen breiten Flur entlang, und jetzt macht sich die Brille bezahlt. Meine Gedanken rasen, ich reagiere blitzschnell. Ruby wäre stolz auf mich. Gegenüber der Tür zum Besprechungszimmer steht Daniel Metcalf. Mit einem Handy am Ohr lehnt er an einer großen Standuhr und will das Telefonat gerade beenden, bevor er mit uns hineingeht. Ich senke rasch den Kopf, um die Papiere in meiner Aktentasche durchzusehen und sicherzugehen, dass ich alles Nötige dabeihabe. Die Brille fällt herunter. Das dicke Schildpattgestell hüpft über den Perserläufer und prallt gegen Daniel Metcalfs linken Stiefel. Er trägt Outdoorstiefel, abgewetzt und mit Wasserflecken. Wir gehen beide gleichzeitig in die Hocke. Unsere Knie berühren sich beinahe. Er legt das Handy auf den Boden, ohne auf die gedämpften Geräusche daraus zu achten. Mit Daumen und Zeigefinger hebt er die Brille auf, als wollte er ihr nicht wehtun, und klappt die Bügel mit einem Klacken zusammen. Auf seiner rechten Handfläche zieht sich von der Spitze des Zeigefingers bis zum Handgelenk eine gerade, erhabene weiße Narbe, wie ein Bindfaden. 'Tut mir leid', sage ich. Mit gesenktem Kopf beiße ich mir auf die Unterlippe. 'Das sollte es auch', sagt er. Er nimmt die Brille auf die flache Hand und wiegt sie abschätzend. 'In den falschen Händen könnte das eine tödliche Waffe sein.' 'Wie gut, dass ich nicht in den falschen Händen bin', entgegne ich. Mein Vater sagt oft, dass sich sehr reiche Menschen mit Dingen umgeben, die mit der Zeit im Wert steigen, während normale Leute Sachen aussuchen, die an Wert verlieren. Zu den Schätzen in diesem Haus gehören unter anderem das Landschaftsbild von Streeton, die Standuhr im Gang, mit glänzender Schelllackpolitur Esstisch und Daniel Metcalf. Auch er wird von Jahr zu Jahr mehr wert. Er ist nicht so groß wie die Standuhr und leichter zu transportieren als der Tisch. Eine Brille trägt er nicht; selbst solche kleinen Schwächen lassen sich mit Geld beseitigen. Nach den Fotos auf den Klatschseiten hätte ich ihn überall erkannt. Er ist vierunddreißig Jahre alt und hat braunes, etwas zu langes Haar. Er könnte eine Rasur vertragen. Er wirkt weder nervös noch verlegen. Zu seiner Jeans trägt er ein gestreiftes Leinenhemd, das entweder von einem sehr teuren Designer stammt oder mal gebügelt werden müsste. Ich habe schon vor langer Zeit gelernt, dass tadellose Anzüge und glänzende Schuhe etwas für Männer sind, deren Einkommen davon abhängt, was andere von ihnen denken. Ich kenne ihn nicht, aber das ist auch nicht nötig. Ich könnte sagen, wen er wählt, welche Restaurants er besucht, wer ihm die Haare schneidet. Ich wusste, dass sein Haus so aussehen und hier in Toorak stehen würde zwischen den anderen Villen. Überall spielen die Menschen die Rollen, die ihnen zugewiesen wurden. Sehr reich zu sein ist so, als