Beschreibung
Richard David Prechts wunderbarer Liebesroman In einer Kölner Straßenbahn erobert Georg das Herz einer Unbekannten - Rosalie. Schon bald zieht es die beiden jungen Liebenden aus dem Westen nach Berlin, wo nach Wende und Wiedervereinigung für einen kurzen Moment alles möglich scheint. Während weit oben im All ein letzter sowjetischer Kosmonaut in der letzten sowjetischen Raumkapsel seine Bahnen zieht, erkunden Georg und Rosalie die Stadt wie einen fremden Planeten und lassen sich treiben. Doch die Schwerelosigkeit währt nicht ewig, und schon bald müssen sich die beiden Sternenzähler der neuen Zeit stellen.Ein humorvoll erzähltes, zärtliches Buch über Liebe, Freiheit und Aufbruch.
Autorenportrait
Richard David Precht, geboren 1964, ist Philosoph, Publizist und Autor und einer der profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum. Er ist Honorarprofessor für Philosophie an der Leuphana Universität Lüneburg sowie Honorarprofessor für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin. Seit seinem sensationellen Erfolg mit 'Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?' waren alle seine Bücher zu philosophischen oder gesellschaftspolitischen Themen große Bestseller und wurden in mehr als vierzig Sprachen übersetzt. Seit 2012 moderiert er die Philosophiesendung 'Precht' im ZDF.
Leseprobe
?tlich des Aralsees, am westlichen Rand der Hungersteppe, etwa vierhundert Kilometer s?dwestlich von Baikonur, liegt Tjuratam. Die Sommer sind hei?und trocken, die Winter kalt und trocken und st?rmisch. Hier, inmitten der endlosen Ein?de Kasachstans, befindet sich das Kosmodrom Baikonur, das gr??e Forschungs-, Entwicklungs- und Startzentrum der Welt. Dieser Standort des Weltraumbahnhofs der Sowjetunion war lange Zeit ein wohlgeh?tetes Geheimnis. Das St?chen Tjuratam war einst eine Eisenbahnstation auf der Strecke Taschkent-Aralsk-Orenburg, doch dann kamen die Ingenieure und ihre Arbeiter und sperrten das Gebiet mit einem vierfachen G?rtel ab, errichteten Industriekombinate und Montagehallen und eine eigene Fabrik f?r die Herstellung von fl?ssigem Sauerstoff. Die alte Eisenbahnstation ist nun eine riesige Verschiebestelle und zugleich Hauptbahnhof der Stadt Leninsk. Etwa zehn bis zw?lf lange G?terz?ge versorgen Tag f?r Tag zehntausende Menschen in den kleinen verfallenenen Baracken der 50er Jahre, den stolzen graublauen Silos der 60er und 70er. Hochgeschossige Wohngeb?e, Schulen und Verwaltungsbauten; irdische Zeichen himmlischen Strebens, ragen die Termitenbauten des Sowjetmenschen in die kalte kasachische W?stennacht. Im elften Stock w?t sich Sergej Krikaljow in seiner blasskarierten Bettw?he. Es geht ihm gut, weil er schon mal im All war und noch am Leben ist und weil er heute wieder in den Kosmos fliegen wird, auch wenn er die Nacht zuvor ein bisschen unregelm?g atmet in seiner kleinen Wohnung, was Elena, seine Frau, ein wenig st?rt, aber sie versteht es. Scharren. Kratzen. Krikaljow schnauft, und Elena im rosa Nachthemd geht zum Fenster und macht es auf. Kurze Ruhe. Dann wieder das Kratzen: Sandflugh?hner, die nichts in den Kosmos zieht. Immer wieder kommen sie in der Morgend?erung auf das Blechdach zur?ck und lassen sich von der schr?stehenden Sonne w?en. Sie schlie? das Fenster und ?ffnet den Mund: "Es ist Zeit, Serjoscha." Im Sommer bewachen violettblaue Stiefm?tterchen die Beete. "Studentinnen der Arbeiterfakult?, wie Genosse Ilja gesagt hat, aber jetzt ist Winter, und Krikaljow hat nicht einmal einen Blick f?r den Park, wo kalt und riesig ein Mann steht, breitbeinig auf der gr?nen Wiese vor den Hochh?ern, als wolle er den vielen Wassersprinklern ringsum zeigen, wie man einen Rasen n?t. Darunter steht: Jurij Gagarin. Sowjetb?rger und Kommunist. Krikaljow fragt sich nicht, ob irgendwo viele tausend Meilen entfernt ein anderer kalter Riese mit einer Unterschrift steht: Neil Armstrong. US-B?rger und Kapitalist. Er denkt an Elena, dass sie sich eine neue K?che w?nscht und dass er sie fast ein halbes Jahr nicht sehen wird, weshalb es ein schwerer Abschied war, so wie schon beim letzten Mal. Aber er diskutiert nicht ?ber seinen Beruf, auch nicht mit Elena. Es ist ein langer Weg zu den Startanlagen in der Mitte des Gel?es, achtunddrei?g Kilometer n?rdlich des Hauptbahnhofs. Es ist ein l?erer Weg durch die Schleusen und Kammern, durch Umkleidekabinen und anderes bis an Bord der Rakete. Und es ist ein noch viel l?erer Weg der Mission SOJUS TM 12 zur Raumstation MIR, die alte Stammbesatzung abzul?sen. Kollege Arzebarskij steht schon da, m?de und blass, man k?nnte ihn unm?glich mit einem der Kosmonauten verwechseln, die in den Schulb?chern l?eln. Auch diese Engl?erin ist da, die heute das erste Mal mitkommt, selbst wenn Elena tobt. Als wenn sie sich dadurch abhalten lie?n, die bleibt sowieso nur eine Woche. Nicht mal an derselben Tube w?rde sie lutschen, und auch die Au?nbordarbeiten zur Reparatur der Antenne oder des Ann?rungssystems KURS am QUANT-Modul blieben streng einsam. Stunden sp?r sitzen sie zu dritt in der Sojus-Kapsel, erst nebeln die dichten Atmosph?nschichten, dann ?berfliegen sie einen der breiten sibirischen Str?me. Krikaljow unterscheidet deutlich die kleinen, von der Morgensonne beschienenen waldigen Inseln und die Ufer, und der Brechreiz ist nahezu unertr?ich, wie schon beim letzten Mal. Nur nicht in Leseprobe