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Überleben an der Wickelfront

Vom Elternglück in den besten Jahren

Erschienen am 12.04.2010
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442129980
Sprache: Deutsch
Umfang: 240 S.
Format (T/L/B): 1.7 x 18.3 x 12.5 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Elternzeit und Karriere: Ein Vater nimmt berufliche Auszeit

Nach einem langen Weg durch die Labore der Fortpflanzungsmediziner fängt für Dieter Bednarz und seine Frau Esther das Familienleben da an, wo andere sich schon langsam auf die Enkel freuen. Dafür starten die ''Eltern in den besten Jahren'' gleich mit Zwillingen durch, denen schnell noch ein ''Gottesgeschenk'' folgt. Wie das Paar versucht, mit drei Kindern, zwei Jobs und einem Tag, der nur 24 Stunden hat, moderne Elternschaft zu leben, beschreibt Dieter Bednarz mit viel Humor und in seltener Offenheit.

Offen, nachdenklich, humorvoll und informativ: der Erfahrungsbericht eines Vaters um die 50.

Autorenportrait

Dieter Bednarz, 1956 in Bochum geboren, ist bereits mehr als sein halbes Leben lang politischer Redakteur des SPIEGEL. Mit 49 Jahren wurde er Vater der Zwillinge Fanny und Lilly, eineinhalb Jahre später der dritten Tochter Rosa. Mit seiner Frau, der Hambu

Leseprobe

Der Morgen oder Ein Putzerfisch und vier Haie Jede Geschichte hat einen Anfang und ein Ende. Manche beginnen mit einem Ende, das ein Anfang ist, bei manchen nimmt der Anfang kein Ende. Meine Geschichte fängt morgens an, wenn für normale Menschen der Tag beginnt, für mich aber ist er dann schon gelaufen. Morgens um sieben, für andere ist die Welt noch in Ordnung, stehe ich schon mittendrin in meinem täglichen Überlebenskampf, das heißt: Eigentlich sitze ich. Die erste Niederlage von vielen an diesem Tag droht mir an einem kleinen Ort, gerade dort, wo im alten Rom selbst der Kaiser zu Fuß hinging, ganz allein, ohne Sänftenträger, ohne Gefolge. Allein! Ich bin sicher, der Kerl hat es genossen, auf dem Örtchen mal seine Ruhe zu haben. Die hätte ich auch gern. Ich gäbe ein Kaiserreich für Ruhe. Mein Reich ist allerdings nicht einmal groß genug, um die Tageszeitung voll zu entfalten. Das macht aber auch nichts, denn zum Lesen komme ich ohnehin nicht, nicht einmal zum schnellen Sichten der Schlagzeilen. Früher hatte ich auf meinem Örtchen eine ganze Bibliothek. 'Ulysses' habe ich da in einem Monat weggelesen, so viel Zeit hatte ich. Jetzt würde ich in vier Wochen nicht einmal die Stelle schaffen, an der ich heute so gern mit Leopold Bloom tauschen würde: 'Auf dem Kackstuhl hockend, entfaltete er seine Zeitung und schlug auf den entblößten Knien die Seiten um', beschreibt James Joyce die entspannte Variante des Stuhlgangs. Beneidenswert, sich seinem Innersten so ungestört widmen zu dürfen wie der gute Poldy. Aber der ist ja auch kinderlos. Mich bekümmert, dass das kleine Schild 'Bloom's Place' an unserer WC-Tür nur noch ein Stück Erinnerung an meine Junggesellenwohnung ist. 'Das Lesen macht den ganzen Menschen', hat die Literaturnobelpreisträgerin Doris Lessing einmal geschrieben. So ein ganzheitliches Gefühl hatte ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Aber noch ist dieser kleine Platz mein Platz. Wenig mehr als ein Quadratmeter ist alles, was mir geblieben ist von unserer geräumigen Altbauwohnung. Früher hatte ich mal ein großes Arbeitszimmer. Das ist schon lange weg. Meine Steuererklärung erledige ich jetzt an einer Spanplatte auf den Heizungsrippen in unserem sogenannten Wohnzimmer. Stehpulte sollen ja gut sein für die Wirbelsäule. Aber selbst dieses Wenige verliere ich gerade an drei Zwerge, die den Aufstand proben. 'Wenig macht die Art des besten Glücks', tröstet mich meine Frau mit Nietzsche. Und verschwindet lautlos in die Kleiderkammer. Ich hingegen hocke da, mit heruntergelassenen Boxershorts, die eigene Brut an den Hacken, im Wortsinne. Bedrängt werde ich von meinen Töchtern Lilly und Fanny, den zweieinhalbjährigen Zwillingen, und ihrer jüngeren Schwester Rosa, ein Jahr alt. Eigentlich sollte an der Tür in meinem Rückzugsgebiet inzwischen 'Massada' stehen. Vielleicht liegt es daran, dass wir im alten jüdischen Viertel von Hamburg wohnen, am Grindel, vielleicht hat es auch damit zu tun, dass ich mich beruflich viel mit dem Nahen Osten beschäftige, aber wenn ich hier hocke und da draußen drei Bonsai-Terroristen mir den Krieg erklären, muss ich unweigerlich an die Felsenfestung in der Judäischen Wüste denken. Wie ich auf meiner Keramik-Anhöhe, so leisteten im Jahr 72 nach Christus hoch über dem Toten Meer 960 Israeliten dem römischen Gouverneur Flavius Silva beherzt Widerstand. Acht Monate wehrten sie alle Angriffe der 15 000 Mann starken Römertruppe ab. Dann musste ihr Anführer erkennen, dass ihr Ende nahe war. 'Lasst uns lieber sterben, als von unseren Feinden versklavt zu werden', soll er seinen Anhängern zugerufen haben, bevor sie sich alle in den Freitod stürzten. Massada wurde zu einem Symbol der Entschlossenheit eines Volkes, in seinem eigenen Lande frei zu sein. Ich dagegen bin schon versklavt und ärmer dran als Onkel Tom. Der hatte zumindest seine Hütte. Tür zu. Ruhe. Bei mir schreien und poltern sie draußen, dass mir nur die Wahl bleibt zwischen Pest und Cholera: Lass ich die Kinder außen vor, brüllen sie mi Leseprobe

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