Beschreibung
In dieser Liebesgeschichte geht es um Menschen, die in unserer nächsten Umgebung wohnen könnten. Sind sie aber wirklich bei uns zu Hause? - Da ist Kurt Voland, der 26-jährige erfolgreiche Bauingenieur. Viele Freunde glaubt er zu besitzen, an jedem Finger ein Mädchen haben zu können. Auf einmal muss er erkennen, dass Freundschaft und Liebe nicht Dinge sind, die man wie eine Prämie für gute Arbeit erwerben und wieder vertun kann. Die Liebe zu der Musikstudentin Felicitas macht ihm bewusst, dass er längst nicht zu Hause, sondern immer noch auf der Reise ist zu einem wirklichen Zuhause.Auch die 19jährige Felicitas ist nach ihrem Bruch mit der kleinstädtisch engen Kirchgemeinde, in der sie aufwuchs, auf der Suche nach einer neuen Gemeinschaft. Ihre Seminargruppe an der Musikhochschule ist erst auf dem Wege zum Kollektiv. Das Untermietverhältnis bei der Wirtin bietet ihr kein Daheim. Kann die stille Stadtkirche, in der sie allein ist mit ihrem Gott, die Sehnsucht nach Menschen ersetzen? In der Beziehung zu Kurt wird sie lernen, dass man selbst etwas dafür tun muss, um beim Nächsten anzukommen. Doch gerade, als sie Kurt für diese Lehre danken will, sich deshalb um so stärker zu ihm hingezogen fühlt, fallen Schatten auf ihre Liebe: Kurt ist kein Mensch ohne Fehler ...Die Frage, ob zwei junge katholische Menschen in der DDR zu Hause sein können, stellt hier ein Autor, der vieles selbst miterlebt hat. Steffen Mohr, Jahrgang 1942, legte mit dieser Liebesgeschichte von 1975 seine erste größere Arbeit vor.LESEPROBE:Darum also saß Kurt hier, und weil die Sprüche in ihm weder Herzensglauben noch irgendeine andere Art der Andacht weckten, sah er sich um unter den Jungen und Mädchen auf den ersten Bänken. Seine Gedanken glitten zurück in die Zeit, als er, so jung wie sie, die Gregorianischen Messen mitgesungen und die deutschen Jugendgottesdienste regelmäßig besucht hatte. Er dachte an seine Studentenjahre, die eigentlich gar nicht so weit zurücklagen. Und es hatte seinen Grund, dass ihm dabei, wie oft beim Zurückdenken, Jutta einfiel - die schwarze Jutta.Denn in der Reihe gleich vor ihm hatte er ein Mädchen gesehen, dessen Kopf jetzt verborgen war durch Rücken, Schultern und Köpfe der anderen. Doch da entdeckte er es wieder, das Mädchen mit den langen, schwarzen Haaren.Jutta! Jutta hier? Das konnte nicht sein. Und wenn sie es doch war? Vor Überraschungen war man ja bei ihr nie sicher gewesen.
Autorenportrait
Steffen Mohr wurde am 24. Juli 1942 in Leipzig geboren, wo er auch aufgewachsen und bis heute geblieben ist. Nach dem Abitur studierte er sowohl (katholische) Theologie als auch Theaterwissenschaften, welche er 1966 mit einem Diplom abschloss. Nach seiner Ausbildung am Leipziger Literaturinstitut kam 1975 ein zweites Diplom hinzu. Davor hatte Mohr unter anderem als Hilfsarbeiter und Hilfsschauspieler, als elektrischer Prüfer und als Redakteur beim Sächsischen Tageblatt sowie als Regieassistent beim Jugendtheater und als Dramaturg beim DDR-Fernsehen (Krimi-Genre), aber auch als Briefträger und Leiter wilder Theatergruppen gearbeitet. Seine erste Kriminalstory hatte Mohr 1966 unter dem Pseudonym Harald Eger in der bekannten Blaulicht-Reihe veröffentlicht weil mir sonst als Student das Honorar vom Stipendium abgezogen worden wäre. Weitere Bücher folgten und schließlich 1989 gemeinsam mit dem West-Berliner Autor -ky (Hinter diesem Kürzel verbirgt sich der erfolgreiche Kriminalschriftsteller und Soziologieprofessor Dr. Horst Bosetzky, Jahrgang 1938) der erste und zugleich letzte deutsch-deutsche Krimi Schau nicht hin, schau nicht her erschienen zwei Monate vor dem Mauerfall. Eine literarische Spezialität des Leipziger Künstlers, der auch als Dozent für kreatives Schreiben tätig ist und der Freien Literaturgesellschaft Leipzig e.V. vorsteht, sind seine Rätselkrimis, die bundesweit in Zeitungen mit einer wöchentlichen Auflage von etwa 1 Million Exemplaren veröffentlicht werden. Darin lässt Mohr nicht nur den Leipziger Kommissar Gustav Merks ermitteln, sondern vor allem seine kriminalistisch veranlagten Leserinnen und Leser.
Leseprobe
Darum also saß Kurt hier, und weil die Sprüche in ihm weder Herzensglauben noch irgendeine andere Art der Andacht weckten, sah er sich um unter den Jungen und Mädchen auf den ersten Bänken. Seine Gedanken glitten zurück in die Zeit, als er, so jung wie sie, die Gregorianischen Messen mitgesungen und die deutschen Jugendgottesdienste regelmäßig besucht hatte. Er dachte an seine Studentenjahre, die eigentlich gar nicht so weit zurücklagen. Und es hatte seinen Grund, dass ihm dabei, wie oft beim Zurückdenken, Jutta einfiel - die schwarze Jutta.Denn in der Reihe gleich vor ihm hatte er ein Mädchen gesehen, dessen Kopf jetzt verborgen war durch Rücken, Schultern und Köpfe der anderen. Doch da entdeckte er es wieder, das Mädchen mit den langen, schwarzen Haaren.Jutta! Jutta hier? Das konnte nicht sein. Und wenn sie es doch war? Vor Überraschungen war man ja bei ihr nie sicher gewesen. Vergeblich mühte sich Kurt, indem er sich hinkniete und den Kopf weit nach vorn beugte, das Gesicht des Mädchens zu erkennen. Jetzt warf sie die Haare zurück in den Nacken. Wie sie!Natürlich war die schwarze Jutta nicht die einzige Frau gewesen, die Kurt Voland in den acht Jahren kennengelernt hatte, seit er mannbar war. Allerdings war sie das weibliche Wesen, das ihm häufiger als andere einfiel, unverhofft beim Einschlafen, im Halbdämmer des Erwachens, wenn er sich eilig rasierte oder auch irgendwann auf der Arbeit. Stand er allein auf einem Gerüst, oder er glaubte gerade, mit der ganzen Kraft seiner Gedanken auf die Rohrleitung konzentriert zu sein, die verstopft war, und er saß rittlings darauf und klopfte sie mit dem Hammer ab, um den Fehler zu finden, da dachte er plötzlich an sie. Er hatte versucht, herauszubekommen, warum er sich so oft an diese weit zurückliegende Geschichte erinnerte, sich auch gefragt, ob er die Frau im Unterbewusstsein vielleicht noch liebe, aber das konnte nicht sein. In diesem Punkte kannte er sich, da wäre er mit Sicherheit an einem der nächsten freien Tage zu ihr gefahren. Sie wohnte in einem Kuhnest im Mecklenburgischen, die Verbindung war die denkbar schlechteste. Kurt hätte das nichts ausgemacht, wäre ihm wirklich an der Schwarzen gelegen gewesen. Nach ihr hatte er verschiedene Frauen und Mädchen gekannt. Sie waren bloß Schattenfiguren in seinem Gedächtnis geblieben. Die ältere Bekanntschaft - er war damals zwanzig, sechs Jahre war die Geschichte alt! - trat, ohne dass er es wollte, in Abständen von einigen Wochen manchmal so deutlich vor seinen Sinn, dass er glaubte, nicht Jahre wären inzwischen vergangen. Alles war frisch; er erinnerte sich an viele kleine unbedeutende Begebenheiten, als hätte er sich gestern erst von der schwarzen Jutta verabschiedet.Sommer war es damals, Semesterferien. Kurt war der einzige Student in der Baukolonne, ein Student im Praktikum, das er sich selbst organisiert hatte, er brauchte Geld für eine Polentour. Dann war er nicht nach Polen gefahren, war in dem Kuhnest geblieben bei Jutta den ganzen August. Er hörte von ihr bereits am ersten Tag, als er auf der Baustelle eintraf. Die Maurer saßen zum Frühstück auf den Grundmauern der Halle, die sie hochziehen sollten zu einem ACZ, das weithin über dem flachen Land zu sehen sein würde, also zu einem Agrochemischen Zentrum, einem der ersten im Land überhaupt, wie sie Kurt berichteten, und sogar eine Piste für Hubschrauber sollte neben der Halle angelegt werden. Hubschrauber, die von hier aus starten und kilometerweit hineinfliegen würden in den mecklenburgischen Himmel und Dünger streuen und die Saat von oben aus der Luft.Langeweile würde er also nicht haben, sagte ein jüngerer Maurer, dessen Oberkörper wie bei allen Männern hier von einer fast ins Schwarze gehenden Farbe war, im Unterschied zu Kurt, der sich vor seiner Abfahrt noch für gut durchgebräunt hielt, nun aber einsah, dass er noch einiges nachzuholen hatte. Ein leichter Wind, der wenig gegen die Hitze ausrichten konnte, spielte mit den Gräsern, die Männer bissen in ihre Brote, unaufhörlich zirpten die Grillen, jemand goss sich Tee aus der Emailkanne ein in seinen Becher. Nach einer Weile, in der er offenbar nachgedacht hatte, ob man dem Neuen die Sache schon erzählen könne am ersten Tag, ging ein Grienen über das Gesicht von einem der Maurer, er sagte: Langeweile sicher nicht, das Leben sei hier bunt, besonders wenn er mal Bekanntschaft mit der schwarzen Jutta schließen würde. Ein trockenes Lachen der Männer antwortete auf diese Bemerkung, einer von ihnen verschluckte sich und riss den nackten Arm hoch, um wieder zu Luft zu kommen. Kurt hätte gern gewusst, was es mit dieser schwarzen Jutta auf sich hatte, aber die Männer schwiegen nun, und er wollte sich nicht gleich am ersten Tag mit einer Frage blamieren, die den Männern möglicherweise wieder Grund zum Lachen gegeben hätte, auf Kurts Kosten.Er hatte das Gespräch vergessen, als sie eines Nachmittags, während er nur mit einem älteren Kollegen an der Mischmaschine stand, ein wenig abseits von den anderen, das Geräusch eines Traktors hörten, das näher kam, auf die Baustelle zu. Der andere drehte den Kopf, spuckte aus und stieß Kurt in die Seite, jetzt sollte er aufpassen, da ströme sie heran, die schwarze Jutta. Als der Name fiel, kam es Kurt wieder in den Sinn, welche Vorstellung er sich damals von der Frau gemacht hatte. Ein Wesen hatte er sich ausgedacht, das etwa zwischen fünfunddreißig und fünfzig Jahren alt war. In seiner Fantasie trug sie die vernarbten, maskulinen Züge einer Zigeunermutter, vielleicht war sie auch ein Mischling, halb Weiße, halb Negerin, jedenfalls groß und mit einer schweren Stimme wie die jazzgewaltige Mahalia Jackson. Er war enttäuscht, als vor ihnen ein Mädchen vorfuhr, das in seinem Alter sein konnte - später erfuhr er erst, dass sie schon dreiundzwanzig war - etwas füllig freilich, aber dort, wo man es gern sah an einer Frau. Dort, wo ihre Hüften saßen, schien der Leib des Mädchens geradezu eingeschnitten von einem breiten, goldbeknopften Ledergürtel, die Taille setzte sich bei ihr fort in einem leicht üppigen, aber doch nicht unangenehm ausschwingenden Unterbau. Oben war sie allerdings reich gesegnet, sie wusste das und setzte sich straff auf, als sie, nun angekommen, vor den Männern noch eine Runde drehte, um den Motor leicht auszufahren. Jetzt bemerkte Kurt ihr tiefschwarzes glänzendes Haar, von Weitem hatte er das nicht sehen können, und es beeindruckte ihn sehr. Dieses Haar trug sie offen, es bedeckte den Rücken und endete kurz vor ihrem Ledergürtel. Scharf vor Kurt hielt sie an und musterte ihn vom Kopf bis zu den Füßen. Er war immer noch etwas enttäuscht, dass sie keine Negerin war oder wenigstens eine Zigeunermutter. Sie blieb auf dem Sitz, auf einmal sagte sie mit einer fordernden, aber nicht dunklen, eher noch vollen und weichen Stimme, laut sagte sie: Hebt mich denn keiner runter? Lachend trat der ältere Maurer auf das Fahrzeug zu, streckte schon die Arme nach ihr aus, da fuhr sie ihn an: Mach dir die Pfoten nicht schmutzig. Rasch zog der Mann die Hände zurück. Die Schwarze sah Kurt an, sie ließ die Feuerkünste ihrer Augen spielen. Er war zu verwundert, als dass er begriff, was sie von ihm verlangte. Da sprang sie mit einem Satz herunter. Im Sprung berührte sie scheinbar unabsichtlich seine Schulter mit der Hand, wieder drehte sie ihm das Gesicht zu. Diesmal war das Feuer in ihren Augen zu lauter kleinen Lachfünkchen geworden.
Inhalt
Das verlorene ZuhauseJutta! Jutta hier?Es muss noch eine andere Welt gebenIch darf nur so tun, als obDer Mensch ist ein EnsembleIch soll mich verändern - wegen eines Mädchens?Kafkas TruppKraft aus innerster Einsamkeit?Das Gebot der GemeinsamkeitWo dein Schatz ist, da ist auch dein HerzJutta muss ich wiedersehen!Gemeinschaft - ja. Doch Gemeinde?Das Leben war kein KreisDer Anfang einer Reise
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