Buczacz war jahrhundertelang eine vielsprachige Kleinstadt in einer osteuropäischen Grenzregion. Als die polnischen und ukrainischen Nationalbewegungen sich gegen die imperiale Macht auflehnten, geriet eine Gruppe zwischen alle Fronten: die Juden. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden sie zu den Leidtragenden einer gescheiterten Minderheitenpolitik.
1942/1943 richteten sich die Angehörigen der deutschen Besatzungsmacht mit ihren Familien in der Stadt ein. Angestellte der Firma Ackermann, die bei Brückenarbeiten die Erschießung jüdischer Zwangsarbeiter mitansehen. Oder eine Frau wie Berta Herzig, die ein jüdisches Kindermädchen beschäftigt und sich mit Henriette Lissberg, der Frau des Landkommissars, die Friseurin teilt. Ungerührt genießen sie die idyllische Provinz. Etwa 10 000 Juden wurden damals in Buczacz umgebracht vor aller Augen.
Ausgehend von einem Gespräch mit der Mutter in Tel Aviv kurz vor ihrem Tod, beginnt Bartov seine Recherchen, die ihn durch unzählige Archive führen. Seine glänzend geschriebene Mikrogeschichte der ostgalizischen Stadt ist ein Meilenstein der Holocaust-Forschung.
Omer Bartov, 1954 in Israel geboren, ist Professor für europäische Geschichte und deutsche Studien an der Brown University in Providence, Rhode Island, USA. Forschungen zur deutschen Wehrmacht und ihren Kriegsverbrechen in Osteuropa und zur Geschichte des Holocaust. Seine Mikrostudie über Buczacz wurde mit dem National Jewish Book Award and dem Yad Vashem International Book Prize for Holocaust Research ausgezeichnet.